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Kultur: Der letzte König

Ein Theatertreffen mit George Tabori

Der Auftritt schon ist königlich: Vorsichtig erklimmt der knapp 91-jährige George Tabori die Bühne. Beifall brandet auf. Kurz verhält der weißhaarige Greis, neigt unmerklich den Kopf, setzt sich, arrangiert seinen Schal. Der König lächelt. Ein Nachmittag mit George Tabori im Dramatikersalon des Theatertreffens im Haus der Berliner Festspiele: Das ist eine Herausforderung für jeden Moderator. Denn Tabori baut seine Ausführungen rondohaft, kommt entspannt aufs Thema zurück, und was man als altersbedingte Abschweifung anzusehen wagte, war in Wahrheit wohlüberlegte Arabeske. Doch Fragen beantwortet er lieber nicht.

„Das Theater ist wie das Leben: unvollkommen“ ist so ein Rondo-Thema, zwischen das fast alles passt: eine Auseinandersetzung mit dem heutigen Theater zum Beispiel. „Othello“, Stefan Puchers Eröffnungsinszenierung des Theatertreffens, hat Tabori im Fernsehen gesehen, und: „Ich würde es zwar selbst nie so machen. Aber es war wunderbar.“ Oder Reminiszenzen an zurückliegende Theatertage: „Andorra“ und die Auseinandersetzung mit Max Frisch über die Genauigkeit von Übersetzungen: „Werktreue, was für ein Wort. Jede Übersetzung verfälscht“, meint Tabori. Frisch sah das anders. Und „Andorra“ wurde kein Erfolg.

New York, London, Budapest, Berlin – das springt ganz wunderbar, in Taboris reichem Leben. Gerade inszeniert er wieder, sein Stück „Jubiläum“ am Berliner Ensemble (Premiere 21. Juni). In zwei Jahren vielleicht möchte er wieder nach New York ziehen. Doch Heimat? Die Frage beantwortet er nicht. Und lebt in und von seinen Erinnerungen.

Am Ende geht es, dem Datum geschuldet, um Kriegserinnerungen. Tabori erzählt, wie schon in seinem 2002 bei Wagenbach erschienenen autobiografischen Buch „Autodafé“, wie er in Auschwitz nach Spuren seines Vaters suchte. „Ich habe nichts gefunden“, klingt die melodische Greisenstimme unendlich schmerzhaft nach. Zuvor hatte er als Beispiel für schwierige Übersetzungen Shakespeares „Hamlet“ angeführt, den letzten Satz: „The Rest is Silence“. Stille, nicht Schweigen sei das. Und liest dann noch ein Gedicht, „Die letzte Reise“. „Reise leicht“, ist sein Rat darin. Und dann herrscht Stille.

Christina Tilmann

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