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Kultur: Der letzte Troubadour Frankreich trauert: Der Musiker, Liedermacher

und Dichter Georges Moustaki ist gestorben.

„Ich reise oft ab, aber ich komme oft wieder.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Georges Moustaki nach einem seiner letzten Konzerte im Olympia von seinem Pariser Publikum. Es sollte kein Wiedersehen geben. Der große Troubadour des französischen Chansons hat seine letzte Reise angetreten. Und Frankreich empfindet eine „immense Trauer“ – so hat es Kulturministerin Aurélie Filippetti formuliert und damit ausgedrückt, was der Verlust dieser leisen, leicht angerauhten melodiösen Stimme für die Nation bedeutet. Als „Gigant der französischen Musik“ bezeichnete ihn Filippettis Vorgänger Frédéric Mitterrand, als „Aristokraten der Bohème, der uns zum Träumen brachte“, der Fernsehmoderator Nikos Aliagas. Als einen „absolut auserlesenen Mann von unendlicher Sanftheit“ würdigte ihn Juliette Gréco. Seine Texte hätten sie stets als die Worte eines kultivierten Mannes angerührt, der einen ausgeprägten Sinn fürs Leben gehabt habe, sagte sie im Rundfunk. Das Chanson „Ma fille bonjour“ hatte Moustaki ihr einst gewidmet.

Über 300 Titel umfasst das Oeuvre des Musikers, Liedermachers und Dichters Moustaki, neben einigen Filmrollen, TV-Auftritten und Buchveröffentlichungen. Viele schrieb er nicht für sich, sondern für andere Interpreten wie Edith Piaf, Yves Montand, Barbara, Dalida, Serge Reggiani, Henri Salvador oder eben Juliette Gréco, ehe er 1968 selbst sein erstes Solokonzert gab und zur weltweit bewunderten Legende von Saint- Germain-des-Prés aufstieg.

In dem berühmten Pariser Künstlerviertel lebte der 17-jährige Joseph Mustacci seit November 1951. Er kam aus Alexandria, wo er als Sohn des griechisch-jüdischen Buchhändlers Nissim Mustacci und dessen Frau Sarah aufgewachsen war. Im kosmopolitischen Klima dieser ägyptischen Stadt lernte er neben seiner griechischen Muttersprache Arabisch und Italienisch, vor allem aber Französisch. Er besuchte die französische Schule und tauchte in der „Cité du Livre“, der weit über die Stadt hinaus renommierten Buchhandlung des frankophonen Vaters, in die französische Literatur ein. Alles Französische habe er verschlungen, berichtete er einmal, keinen Vortrag, keine Konzert, keinen Film ausgelassen. In Paris tingelte er mit Freunden durch die Jazzkeller von Saint-Germain, seinen Lebensunterhalt finanzierte er mehr schlecht als recht mit Beiträgen, die er für ein französischsprachiges Blatt schrieb, das ein Freund seines Vaters in Alexandria herausgab.

Die Wende kam, als er eines Tages im „Trois Baudets“ Georges Brassens kennenlernte. Ihm legte er drei Chansontexte vor, die ihm, wie er später erzählte, auf Anhieb gefielen. „Da habe ich so etwas wie eine Berufung gespürt.“ Als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber dem „großen Georges“, der sein Förderer werden sollte, übernahm er dessen Vornamen für seinen Künstlernamen: Georges Moustaki. Der Start in die Karriere war schwierig. Es gab wenig Beifall und manche Rückschläge. Bei der Probeaufnahme des Chansons „Milord“ fiel er durch. Als er es 1958 der zehn Jahre älteren Edith Piaf vortrug, versagte seine Stimme.

Doch sie nahm sich seiner an, wurde während kurzer Zeit seine Geliebte und machte „Milord“ zum Welterfolg. Auch mit „Le Métèque“, seinem wohl berühmtesten Chanson, das dann über 60 Mal aufgelegt wurde, hatte er zunächst kein Glück. Drei Jahre lang lag es bei der Plattenfirma herum, ehe diese 1969 nach einem Fernsehauftritt, bei dem Moustaki zur Gitarre griff, mit dem Pressen der Scheiben nicht nachkommen konnte. Fortan rannten ihm die Produzenten die Tür ein. Unvergessliche Titel, die wie „Ma liberté“, „Ma solitude“ oder „En Méditerranée“ für das französische Chanson schlechthin stehen, entstanden. Im Januar 2009 gab Moustaki sein letztes Konzert in Barcelona. Die Stimme versagte, er musste abbrechen. Eine unheilbare Erkrankung der Bronchien, die ihn seitdem an eine Sauerstoffflasche fesselte, zwang ihn zum Umzug von Paris ins mildere Klima von Nizza. Dort ist er am Donnerstag gestorben. Hans-Hagen Bremer

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