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Kultur: Der Lohn für Hoffen und Bangen - und zähes Suchen

Die Verhandlungen über die Beutekunst - wie der Komplex der kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter pointiert, aber zumeist treffend benannt werden kann - stagnieren.Es geht dabei um diejenigen Objekte, die sich in staatlicher Gewalt befinden und über die als Ganzes zu sprechen ist.

Die Verhandlungen über die Beutekunst - wie der Komplex der kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter pointiert, aber zumeist treffend benannt werden kann - stagnieren.Es geht dabei um diejenigen Objekte, die sich in staatlicher Gewalt befinden und über die als Ganzes zu sprechen ist.Daneben aber gibt es eine Fülle von Einzelfällen, deren Schicksal gleichfalls eine unmittelbare Folge des Krieges bildet, sich aber in rechtlicher Bewertung jeweils anders darstellt.

In der Regel handelt es sich um Kulturgüter, die von privater Hand angeeignet wurden; herrenlos oder jedenfalls ohne erkennbaren Eigentümer, schlecht behütet, meist von Zerstörung bedroht.Die Absicht zur Wegnahme muß nicht immer verwerflich gewesen sein; legendär ist der Fall des sowjetischen Offiziers Viktor Baldin, der Zeichnungen aus der Bremer Kunsthalle - darunter unschätzbare Dürer-Aquarelle - vom Boden aufgelesen hat und also tatsächlich vollbrachte, wessen sich die sowjetische Regierung hinsichtlich ihrer "Trophäen" rühmte: Kunstschätze bewahrt zu haben.

Dresden ist ein heikles Pflaster für die Beutekunst-Debatte.Einerseits gingen der Stadt Tausende von Werken verloren; zumeist, und dies ist um so bitterer, nachdem die Rote Armee die an sichere und seit alter Zeit bewährte Orte in Sachsen ausgelagerten Schätze aufgespürt und zum Abtransport bestimmt hatte.Doch andererseits kehrte der Großteil der requirierten Schätze 1955 und 1958 zurück.Für die so sinnlos zerstörte Stadt, der unter der SED-Herrschaft nicht mehr beschieden war als der Wiederaufbau einzelner und herausragender Bauten wie eben des Zwingers und der Semperschen Gemäldegalerie, muß diese Rückkehr ganz außerordentlich beglückend gewesen sein.Mit ihr knüpfte Dresden überhaupt erst an seine kulturelle Tradition an.

Daneben gab es viele kleine Glücksmomente, wenn man so will - Rückgaben einzelner Kunstwerke, teils aus eigenem Anrtrieb, teils nach juristischen Auseinandersetzungen, teils unentgeltlich und teils mit Zahlungen erleichtert.Diesen Aspekt beleuchtet die Ausstellung im Georgenbau des Dresdner Schlosses unter dem Titel "Zurück in Dresden.Ehemals vermißte Kunstwerke aus Dresdener Museen".Mit ihr gibt die neue Genraldirektorin der Museen, Sybille Ebert-Schifferer, einen wirkungsvollen Einstand, spricht sie doch die ambivalenten Gefühle vieler Dresdner gegenüber der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte behutsam an.So sind denn auch im Vorraum die Regierungsdokumente der fünfziger Jahre ausgebreitet, mit denen die Rückkehr der "Sixtinischen Madonna" und ihrer Begleiter feierlich besiegelt wurde.

Mit solchen Highlights kann die Ausstellung nicht aufwarten, obgleich ein Name wie Lukas Cranach beispielsweise gleich mehrfach auf den Schildchen zu lesen ist.Es sind, der Natur des Abhandenkommens in den unmittelbaren Nachkriegswirren gemäß, meist kleine Formate; aber auch Hauptstücke wie Max Liebermanns unübersehbares "Kohlfeld in Noordwijk" von 1912 tauchten in Privatbesitz auf und kamen, wie der akribisch dokumentierende Katalog im Falle Liebermann vermerkt, durch "Rückführung" wieder in öffentlichen Besitz.Daß sich bereits vor der Wende von 1989 auch westdeutsche Dresden-Freunde an der Wiedergewinnung alten Eigentums beteiligten, belegt der Rückkauf eines Gemäldes von Max Slevogt aus dem Kunsthandel.

Nach Provenienzen darf nicht immer fragen, wer ein verloren geglaubtes Objekt zurückbekommen möchte.Bisweilen heißt es schweigen und zahlen.Auktionshäuser müssen allerdings sorgfältiger sein; daß sie es in der Vergangenheit des Eisernen Vorhangs nicht immer waren, läßt sich aus dem Katalog herauslesen.So sollte Cranachs d.Ä."Christus am Ölberg" im Jahre 1957 in London versteigert werden, und es bedurfte erst des offiziellen Einspruchs der DDR-Regierung, um das Werk zu sichern und schließlich, im Ergebnis eines komplizierten Vergleichs, auch tatsächlich zurückzuerhalten.Einen weiteren Cranach übrigens erhielt die Gemäldegalerie aus der Sowjetunion 1967 - er war bei der großen Rückgabe übersehen worden.Mühsam gestaltet sich die Suche bei Genrestücken der in Dresden so reich vertretenen Holländer.Manche Bilder tauchten auf, wenn der Zufall ihre Herkunft erkennen ließ; vieles wird auf unabsehbare Zeit verschollen bleiben.Daß selbst in benachbarten Museen Sachsens Stücke entdeckt wurden, beleuchtet nur den mangelhaften Informationsstand vor der Zeit der digitalen Vernetzung.

Mit den 55 Gemälden beider Gemäldegalerien, 297 Graphiken aus dem Kupferstichkabinett, 247 Objekten aus der Rüstkammer, 196 aus der Skulpturensammlung, vier Stücken aus dem Kunstgewerbemuseum sowie 26 aus der Porzellansammlung ließe sich ein ansehnliches Museum bestücken.Tatsächlich aber künden die ausgestellten Werke von dem Reichtum der Dresdener Museum, zu dem sie wie Mosaiksteine beitragen.Und, was die Ambivalenz der Gefühle angeht: Sogar die unselige Kunst- und Antiquitäten-GmbH des Honecker-Geldbeschaffers Schalck-Golodkowski - die sich nicht scheute, selbst alte Pflastersteine in den Westen zu verscherbeln, die aus intakten Chausseen gerissen worden waren - selbst die also trug zur Heilung alter Wunden bei: Ein prachtvoller Schreibschrank aus der Zeit um 1740 mit Verzierungen im Stil damaliger Chinoiserien kam 1976 zurück - aus West-Berlin.Nähere Einzelheiten verweigert der Katalog.Die Botschaft der Ausstellung aber ist eindeutig: daß es guten Willens und zäher Arbeit bedürfe, um das Problem der Beutekunst zu lösen, und sei es Einzelstück für Einzelstück.

Dresden, Schloß, Georgenbau, bis 12.Juli.Katalog bei Edition Minerva, geb.48 DM.

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