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Kultur: Der Maler H. Ebersbach: Berühmt geworden ist er mit "Kaspar"-Porträts. Nun malt er sich in einer neuen Rolle: als "weißer Elefant"

Das Atelier des Malers: eine Höhle. Großgewachsene Besucher müssen sich ducken, wenn sie in den Keller von Hartwig Ebersbach hinabsteigen.

Das Atelier des Malers: eine Höhle. Großgewachsene Besucher müssen sich ducken, wenn sie in den Keller von Hartwig Ebersbach hinabsteigen. Nackte Glühbirnen baumeln von der niedrigen Betondecke und werfen ein funzeliges Licht, das die trübe Dunkelheit kaum durchdringt. Alles hier ist grau, schwarz, düster. Umso intensiver erstrahlen die Leinwände und Holztafeln, die überall an Pfeilern, Kisten, Wänden lehnen: Farbexplosionen in Blutrot, Giftgrün und Schwefelgelb. "Meine Unterwelt, meinen Hades" nennt Ebersbach den Keller, in dem er Dutzende, vielleicht Hunderte solcher Bilder gemalt hat, die ihm den Ruf einbrachten, den figurativen Expressionismus eines Max Beckmann mit den gestischen Abstraktionen eines Jackson Pollock versöhnt zu haben. "Ich habe diese hermetische Abgeschlossenheit gebraucht", erzählt er, "eine Öffnung nach außen hatte ich nicht nötig, weil meine Öffnung nach innen stattfand." Ebersbach spricht in der Vergangenheitsform: Seit vier Jahren hat er in dem Keller nicht mehr zum Pinsel gegriffen. Seine Bilder warten hier nur noch darauf, zur nächsten Ausstellung abgeholt zu werden. Und in einer Ecke kühlen Weinflaschen in einem Eimer. Die Malerhöhle: ein Lagerraum.

Ebersbach ist aufgestiegen, im wortwörtlichen Sinn. Aus der Dunkelkammer in ein Glashaus, aus seinem Keller in den darüberliegenden Anbau. Jetzt arbeitet er ausschließlich in einem lichtdurchfluteten Atelierhaus, das an seine im Leipziger Stadtteil Connewitz gelegene Villa angrenzt. In dem Haus aus der Vorkriegszeit lebt Ebersbach seit Anfang 1989 mit seiner Familie. Das spitzgiebelig zulaufende Dach ist aus hellem Holz, durch große Fenster geht der Blick in einen romantisch verwilderten Garten. "Eine Oase", sagt Ebersbach, "eigentlich viel zu schön, um hier zu arbeiten." Das Jahr 1996 markierte einen Wendepunkt für ihn. Eine Retrospektive, die ihm das Leipziger Museum der bildenden Künste widmete, stürzte den heute 60-jährigen Maler in Ratlosigkeit. Seine Kunst, die Farben auf die Leinwand zu schleudern, in dicken Schichten übereinanderzuquetschen, aus der Tube direkt auf das Bild zu drücken und dann noch die Tube als Relikt zurückzulassen, hatte er "auf die Spitze getrieben, da ging es nicht mehr weiter." Aber wie dann? Ein Jahr lang hat Ebersbach überhaupt nicht mehr gemalt. Eine Krise? "Nein, eher das Glücksgefühl, alles gesagt zu haben, was zu sagen war." Und als er dann 1997 doch wieder anfing, hat er das Malen quasi noch einmal neu erlernt. Statt in Ekstase arbeitet Ebersbach nun in totaler Selbstkontrolle, "wie ein Kalligraph oder Karatekämpfer".

Der gestische Schwung ist geblieben, doch die Farben - aufgehellt und freundlicher - schichtet er nicht mehr pastos über-, sondern setzt sie sorgsam, fast pointilistisch nebeneinander. Selbst Ölbilder sehen nun wie Auarelle aus. Aus den Nachtbildern ist Tagmalerei geworden. Der dreiteilige Zyklus "Überfahrt des weißen Elefanten", Sylvester 1999 entstanden und derzeit in der Berliner Akademie der Künste zu sehen, ist ein schönes Beispiel für seine - in Ebersbachs eigenen Worten - "helle Phase". Aus einem weißen Hintergrund erhebt sich dort schemenhaft eine weiße Figur, die nur an ihren großen Ohren als Elefant zu erkennen ist. Zehn Jahre ist es her, dass der Maler bei einer Reise durch Japan von solch einem Elefanten träumte, der auf einer Fähre zu einem neuen Ufer aufbrach. Im Traum empfand er ein "Gefühl des Glücks, in eine neue Welt getragen zu werden." Als Ebersbach wieder in Berlin-Schönefeld landete - es war November 1989 -, war seine alte Welt, die DDR, schon fast untergegangen.

Von der "Wende" spricht Ebersbach nicht, er benutzt lieber den Begriff "Kulissenwechsel". Die DDR hatte er als schlechte Theaterinszenierung empfunden, vor der Politik floh er ins Private. Die SED-Parole "Vom Ich zum Wir" drehte er um: Die Bilder des "Oberwildlings der DDR-Malerei" (FAZ) waren radikale Ich-Befragungen. Bei den Parteioberen eckte der gebürtiger Zwickauer schon während seines Leipziger Studiums an. So wurde sein Gruppenporträt "Versuch einer Deutung" 1962 in einer Ausstellung abgehängt, weil es als "zu schwarz und pessimistisch" galt. Sein Lehrer Bernhard Heisig bewahrte ihn vor der Relegation. Später musste sich Ebersbach als Messegestalter durchschlagen, weil er von seiner verpönten Malerei nicht leben konnte. Da er mit seinen ironisch verfremdeten Propaganda-Sujets - einem knallroten Thälmann-Porträt etwa - Irritationen auslöste, griff Ebersbach zu einer List: Ab 1973 malte er sich in einer Endlos-Serie als Kaspar. "Die Groteske schützte mich", erzählt er, "Kaspar darf sprechen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist." Im Westen hochgeschätzt - Peter Ludwig kaufte seit 1979 seine Bilder -, blieb Ebersbach in der DDR bis zuletzt ein Außenseiter.

Was bleibt: Die Hoffnung, dass sich "ein Vorhang öffnet, und dahinter ist alles ganz leicht". Sein letztes Bild, sagt Ebersbach, werde vielleicht völlig weiß sein. Denn in Weiß sind alle anderen Farben enthalten.

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