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Kultur: Der Maler verstarb überraschend in seinem Ferienhaus auf Ibiza

Ohne jeden Gegenstand, ohne anrührende Thematik legte der abstrakt expressionistisch malende Emil Schumacher, der gestern 87-Jährig völlig überraschend in seinem Ferienhaus auf Ibiza starb, Sichten auf gärend und berstend anmutende Bilder vor. Allein mit Lineatur, Struktur und kontrastreicher Farbigkeit ging er auf die Natur, ihr Wirken und Werden, ein.

Ohne jeden Gegenstand, ohne anrührende Thematik legte der abstrakt expressionistisch malende Emil Schumacher, der gestern 87-Jährig völlig überraschend in seinem Ferienhaus auf Ibiza starb, Sichten auf gärend und berstend anmutende Bilder vor. Allein mit Lineatur, Struktur und kontrastreicher Farbigkeit ging er auf die Natur, ihr Wirken und Werden, ein. Die Malflächen nahmen das Aussehen von Flußbetten der Farbe an. Dick aufgetragen, wälzen sich seine Lieblingstöne Gelb, Schwarz und Rot als körniges Geschiebe über die Leinwand. Schumacher legte Urschichten bloß.

Der informelle, im westfälischen Hagen geborene Aktionist hatte bei Christian Rohlfs studiert. Frühe Werke stehen dem Lehrmeister und dem leuchtend aquarellierenden Emil Nolde nahe. Schumacher, den später Einflüsse des französischen Tachismus zur bildnerischen Gestik führten, hatte realistisch und sachlich begonnen. Nach nationalsozialistischer Diktatur und Kriegszeit suchte er wie zahlreiche Künstler seiner Generation den Weg zur vordem verfemten abstrakten Malerei.

Mit ihr gelang ihm der Einzug in die Galerien. Erste ungegenständliche Bilder entstanden Anfang der fünfziger Jahre. Anregungen von Fautrier und Dubuffet brachten ihn bald dazu, der modisch gewordenen fleckhaften Kunst mit herben Farben und ungelenken, urtümlichen Lineaturen zu begegnen. Auf seinen Arbeiten finden dramatische Treffen zwischen verkrusteten Pinselzügen, Blech, Draht, Holz, Nägeln und sandigen Einschüben statt. Zuweilen griff er zum Hammer, um "Gefälliges und Genüßliches" zu zerstören. Das Schöne ergab sich für ihn allein aus der Verwandlung des Materials.

Ausstellungen in New York, Pittsburgh und Minneapolis, Sao Paulo und Rio de Janeiro ließen ihn zu einem der international erfolgreichsten deutschen Maler werden. Schumacher verstand sich als Verächter gefälliger Oberflächen, als beharrlicher Herausforderer des Unbewußten und Ungewissen. Eintreffende Orden, Medaillen, Ehrenringe und Verdienstkreuze bestätigten das Gelingen des Vorhabends. Studienreisen nach Spanien, Italien, Tunesien und Südamerika galten vor allem den kargen und spröden Regionen.

Eine Welle neuer Stilformen warf Schumacher dann plötzlich aus der Bahn. Op-, Pop- und Minimal-Art überrollte sein Werk. Der von Tokio bis Montreal gefragte Künstler geriet ins Abseits. Jahre der Besinnung und eine ermutigende Lehrtätigkeit in Karlsruhe und Minneapolis verhalfen ihm zu neuem Aufbruch. Tatsächlich gelang Schumacher die ehrenvolle Wiederkehr. Er schuf ein Spätwerk, das frühere Arbeiten an Eindringlichkeit übertrifft. Ungebärdige Kompositionen stehen für die Bestimmtheit der malerischen, nun zuweilen figürliche Andeutungen aufweisenden Ansichten.

Stärker noch spiegeln nervöse Strichfolgen, zerfurchte Strukturen und schrundige Farbflächen vorzeitliches, mit raunenden Titeln bedachtes landschaftliches Geschehen. "Wie könnte ich mich der Natur entziehen?", ließ Schumacher einmal verlauten. Tatsächlich sprechen vornehmlich Kraft und Stärke archaischer, erdhafter Vorgänge aus seinen Bildern. Schumacher brachte tachistische Ereignisse geteert und gefedert zur Anschauung. Wie kein anderer gab er Naturvorstellungen den Ausdruck unberechenbarer, elementarer Wildheit.

Werner Langer

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