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Kultur: Der Mann, der Karajan zähmte

Witiko Adler, Berlins dienstältester Konzertveranstalter, feiert heute seinen 75. Geburtstag

Er kennt sie alle. Denn er hat sie nach Berlin geholt. Ob Leonard Bernstein oder Eugene Ormandy, ob Abbado, Jehudi Menuhin, Otto Klemperer oder Anne-Sophie Mutter – Witiko Adler stand am Flughafen, wenn die Weltstars der Klassik in der Mauerstadt eintrafen. Heute wird der dienstälteste Berliner Musikmanager und Chef der Konzertdirektion Adler 75 Jahre alt. Damit ist er zehn Jahre jünger als seine Firma, die Vater Hans Adler 1918 gründete. 1947, kaum dass der junge Witiko die Abiturprüfungen erfolgreich hinter sich gebracht hat, tritt er ins Familienunternehmen ein. Seitdem geben sich bei ihm die Großen der Branche die Klinke in die Hand.

Unendlich viele Anekdoten könnte Witiko Adler erzählen, doch er hält sich mit Details über das Privatleben der Stars ebenso zurück wie mit Informationen über seine eigene Vita. Der distinguierte Herr mit den blitzenden Manschettenknöpfen am tadellos gestärkten Hemd tritt ungern aus dem Hintergrund ins Rampenlicht. Adler ist kein schillernder Impresario mit Papagei auf der Schulter wie sein Berliner Kollege Otfried Laur, und auch keiner, der beim Schlussapplaus mit dem Arm voller Rosen vor der Primadonna niedersinkt wie Ex-Philharmoniker-Intendant Franz-Xaver Ohnesorg. Witiko Adlers Trumpf ist die Seriosität. Er ist der Diplomat im nachtblauen Zweireiher, auf dessen Verschwiegenheit sich die Künstler verlassen können. Ein Unparteiischer. Wenn Herbert von Karajan mal wieder eine seiner gefürchteten Wutattacken hatte und sich selbst engste Mitarbeiter kaum in Rufweite des Maestros trauten, rief man nach Witiko Adler. Als Karajan für eine Extraprobe der Philharmoniker kurzerhand das an diesem Abend anstehende Konzert Jehudi Menuhins (das Adler organisierte) ausfallen lassen wollte, wagte es nur Adler, dem Unantastbaren vorzuschlagen, die Probe doch einfach nachmittags abzuhalten. Zur Überraschung der gesamten Entourage stimmte der Sonnenkönig dem Vorschlag zu – das Menuhin-Konzert war gerettet.

Über die Entwicklung der Berliner Klassikszene hat Adler manch bitteres Wort zu sagen. Wurden früher bis zu drei Viertel aller Konzerte von privaten Veranstaltern organisiert, so entwickelten sich die staatlich subventionierten Institutionen wie die Philharmonie und das Konzerthaus am Gendarmenmarkt in jüngerer Zeit immer mehr zu Konkurrenten, die in Adlers Augen das Preisniveau drücken, weil sie ihre Eigenveranstaltungen ohne Saalmiete kalkulieren können. Die Einladung der Wiener Philharmoniker durch Franz-Xaver Ohnesorg wäre im vergangenen Jahr fast zum Präzedenzfall geworden. Der Verband Deutscher Konzertdirektionen wollte gegen eine derartige Praxis vor Gericht ziehen – die Klage wurde letztlich allerdings abgewiesen.

„Ich gehe zu jedem neuen Kultursenator und sage ihm: Ich will kein Geld, ich will nur nicht in meiner Arbeit behindert werden“, erklärt Witiko Adler – und ist doch stolz, dass er trotz der schwierigen Lage auf dem hauptstädtischen Musikmarkt seine Position innerhalb der Branche halten kann. Den Großteil seines Umsatzes allerdings macht er längst nicht mehr im armen Berlin, sondern einerseits mit seiner zweiten Firma, der „Westdeutschen Konzertdirektion“ in Köln, andererseits mit der Vermittlung von Künstlern wie Alicia de Larrocha, Jiri Kout, Karl Leister oder Daniel Barenboim.

Den ausgefallenen Vornamen verdankt Adler übrigens Adalbert Stifter. Von dessen 1864 entstandenem Roman „Witiko“ ließen sich seine Eltern inspirieren. Und vielleicht schwang ja bei der Namenswahl auch die Hoffnung mit, im Leben des Sohnes möge es beruflich so zugehen wie im dritten Kapitel des dritten Buches von „Witiko“: „Es kamen tausende Scharen“.

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