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Kultur: Der Mann, der Q war

Begegnung im War Room: Der Filmdesigner Ken Adam rüstete James Bond auf und foppte Ronald Reagan. Eine Ausstellung im Gropius-Bau würdigt sein Werk

Die zentralen Fragen des Lebens tauchen meist schon in früher Jugend auf, in der Regel bleiben sie ohne Antwort. Hin und wieder aber sitzt man dank glücklicher Fügung genau dem gegenüber, der es wissen müsste. Also, Mr. Ken Adam, heraus mit der Sprache: Wie verpackt man einen Hubschrauber in vier Koffer?

Das hat sich doch 1967 mancher gefragt, als Q, James Bonds Waffenmeister, in „Man lebt nur zweimal“ vier Kofferträger im Gänsemarsch antreten ließ und – eins, zwei, drei – vor den Augen der Zuschauer ein flugfähiger Ein-Mann-Helikopter entstand, genannt Little Nellie, ein waffenstarrendes Insekt, farblich einer Wespe nahe, eine weitere Mutation der legendären Spezies „Bond-Mobil“. Wie also, wie? Und am besten an dem Bild hinter Ihnen erläutern, eine Ihrer Skizzen von Q’s Labor, mit Little Nellie im Vordergrund, von kluger Hand gleich im Eingangsbereich Ihrer Ausstellung im Gropius-Bau arrangiert.

Ken Adam lacht, schüttelt den Kopf. Nein, natürlich passte der von einem pensionierten Oberst der Royal Air Force entworfene Miniatur-Helicopter in kein Kofferset, aber es war eben eine hübsche Idee, dieser Koffer in Krokodilleder, innen mit rotem Velour ausgeschlagen. Seine Frau Letizia hatte damals gerade eine Handtaschenkollektion entworfen, erzählt er, da lag so ein Do-it-yourself-Kit nahe. Übrigens ein völlig verrückter Oberst, Adam hatte im Radio von der Flugmaschine gehört, rief bei der BBC an, um die Adresse des Konstrukteurs zu bekommen. Irgendwann kam der Bastler mit seinem Anhänger an, baute Little Nellie zusammen, sauste los. Er selbst als Production Designer musste nur noch die Waffen anbringen, Nebelwerfer, MG’s, Luftminen, Luft-Luft-Raketen, was einer wie 007 eben so braucht.

Cherchez la femme also, auch hier. Letizias Bedeutung für seine Arbeit hatte Adam schon bei der Pressekonferenz zu der vom Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main gestalteten Werkschau betont. „Dr. No“? Sie hatte damals nach den ersten Seiten den Kopf geschüttelt: „Du würdest dich prostituieren.“ Sie hat eben nicht immer Recht – aber meistens. Letizia sei mit einem sehr guten Auge geboren, preist Adam seine Frau, spüre instinktiv, wenn auf dem Set etwas nicht stimme. Und obwohl sie nie offiziell für ihn gearbeitet hat, ist sie doch mit seinem Geschmack, dem Adam-Look, so vertraut, dass sie schon mal Ausstattern half, wenn ihr Mann verhindert war.

Fast immer erkenne man, dass ein Film von Ken Adam stamme, viele Kritiker und Filmhistoriker haben das geschrieben. Worin genau aber besteht dieser Stil denn nach seiner eigenen Meinung? „Ich glaube, es ist mein Drang gewesen, die Wirklichkeit zu stilisieren.“ Also nicht ganz neue unmögliche Welten zu erfinden, sondern die Wirklichkeit zu „theatralisieren“, zuzuspitzen auf das Wesentliche, das dem Zuschauer im besten Falle viel wirklicher, eindeutiger erscheint als die alltägliche Realität.

Zum Beispiel der „War Room“ aus Stanley Kubricks „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“. Kubrick rief bei Adam an, nachdem er „Dr. No“ gesehen hatte. Später sollte Ronald Reagan, gerade ins Präsidentenamt eingeführt, fragen, wo denn im Weißen Haus dieser War Room sei. Das habe er aus sicherer Quelle, erzählt Adam belustigt, schließlich war der unterirdische Befehlsbunker „reine Erfindung, eine meiner besten“. Alles stimmte, die Dramaturgie, das Ambiente, das sogar den Schauspielern ein klaustrophobisches Gefühl vermittelte. Und dabei sei dieser Set weniger gewollt als vielmehr instinktiv entstanden.

Auch in der Pressekonferenz war auf die Bedeutung verwiesen worden, die gerade der War Room im Schaffen Ken Adams einnimmt. So ist der dem Kubrick-Film gewidmete Raum auch der düstere Mittelpunkt der Ausstellung, um den die anderen, nur locker zu Schwerpunkten zusammengefassten Teile sich gruppieren. Raumhoch erhebt sich die Kommandozentrale der nuklearen Macht als doppelte Fototapete, in der Mitte der Entwurf von Ken Adam, an den Seiten der fertige Set als Filmszene. Eine Wand ist dem Film selbst vorbehalten, auf einem Bildschirm flimmern Szenenbilder, flankiert wieder von Zeichnungen des Production Designers. Auch an der Außenwand der Schreckenskammer hängen sie, chronologisch geordnet, um das Entstehen der Vision Schritt für Schritt nachvollziehen zu können. Wieder und wieder hatten Kubrick und Adam die Szenen und ihre Umsetzung durchgesprochen, täglich drei Stunden. Der Regisseur hatte darauf bestanden, von Adam in dessen Jaguar E-Type täglich zum Drehort und zurück gebracht zu werden – mit maximal 30 Meilen, da Kubrick Angst vor Geschwindigkeit hatte. Wenn es nicht um den Film ging, musste Adam vom Krieg erzählen, so oft, bis ihm die Geschichten ausgingen und er erfinden musste.

All das erfährt man kaum in der Ausstellung, die mit Texten spart und sich, darin Adams Sets ähnelnd, aufs Wesentliche konzentriert. Das sind die Zeichnungen, rund 300 Originalentwürfe, die zum großen Teil aus Adams Archiv stammen, weit mehr als bloße Gebrauchsarbeiten für den Augenblick, Kunstwerke vielmehr, die dennoch nicht mit Passepartouts veredelt wurden, sondern mit Reißzwecken an die Wand gepinnt sind. Teilweise zeigen sie noch die Lochung des Notizblocks, aus dem sie gerissen wurden – der Museumsraum als Atelier. Auch „Taking Sides“, István Szabós FurtwänglerFilm, ist vertreten, Adams bislang letzte Arbeit. Ein Entwurf zeigt einen großbürgerlichen Wohnraum, möglich, dass Adam hier, wie Produzent Yves Pasquier vermutet, das Berliner Haus seiner Eltern nachbauen wollte.

Das stand in der Tiergartenstraße 8, eine großbürgerliche Stadtvilla, in der am 5. Februar 1921 der junge Klaus Hugo Adam zur Welt kam, als Sohn des Inhabers des bekannten Sporthauses S. Adam an der Leipziger Ecke Friedrichstraße. Das Kaufhaus ging 1932 Pleite, den Neubeginn versuchte der Vater ausgerechnet im Januar 1933. Ein Jahr später floh die Familie. Erst in England sah Adam die Ufa-Filme, die sein Werk entscheidend prägen sollten, „Dr. Mabuse“, „Caligari“ und besonders „Metropolis“. Erste Filmkontakte und ein Archtitekturstudium beendete der Krieg, in dem Adam als Jagdflieger diente, der Einzige in der Royal Air Force mit deutschem Pass.

Schon früh hatte er Zeichentalent bewiesen, vermittelt über seine Schwester, bekam er eine Stelle in Londoner Studios, Beginn einer strahlenden Karriere. An über 70 Filmen hat er mitgewirkt, darunter sieben Mal Bond. Seine beiden Oscars hat er zwar für andere Arbeiten bekommen, so für Kubricks „Barry Lyndon“, aber „Dr. No“ samt seinen Nachfolgern wurde doch, schon weil das Drehbuch so schlimm war, zum Freiraum, in dem das Talent Ken Adams sich erst richtig entfalten konnte: „Zum ersten Mal war ich völlig frei.“

Ken Adam: James Bond – Berlin – Hollywood. Visionäre Filmarchitektur. Martin-Gropius-Bau, bis 24. Februar. Parallel zur Ausstellung ist das von Adam autorisierte, außerordentlich lesenswerte Buch von Alexander Smoltczyk erschienen: James Bond – Berlin – Hollywood. Die Welten des Ken Adam. Nicolai, Berlin 2002. 260 Seiten, 24, 90 Euro .

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