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Kultur: Der Meisterträumer

Vorwärts in die Vergangenheit: Rob Kriers Werk im Frankfurter Architekturmuseum

Der Mann hat eine Mission. Seit nunmehr 30 Jahren zieht er gegen die „banalen Siedlungsformen“ zu Felde. Diese haben „die Städte zerstört, als seien sie von Geschwüren befallen“, sagt er im Gespräch. Rob Krier, der aus Luxemburg stammende und seit langem in Berlin lebende Architekt, setzt dem einen geschlossenen Stadtraum mit überschaubarem Areal entgegen. Diese von Camillo Sitte beeinflusste Rückkehr zur alten Stadtstruktur verquickt Krier mit seinem nicht immer glücklichen Faible für historische Bautypen. So wurde er zu einem der populärsten, aber auch umstrittensten Vertreter der Postmoderne. Und er zählt zu den wenigen internationalen Architekten, die sich mit Wohnungsbauten einen Namen gemacht haben.

Nun zeigt das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main die erste monografische Schau über den 67-jährigen Baumeister. Diese späte Ehrung ist bezeichnend, ähnlich wie er jetzt den ersten öffentlichen Auftrag in seiner Heimatstadt hat. Krier ist ein unbequemer Architekt, der unermüdlich seine städteplanerischen Ideen einbringt. Dadurch hat er unzählige Wettbewerbe verloren, wie er freimütig erzählt. Wie wichtig aber seine städtebaulichen Ideen sind, ist derzeit kaum zu überblicken. Einen ersten Eindruck gibt das DAM, das aus dem Vollen schöpfen kann. Krier hat nämlich sein komplettes Werkarchiv dem Museum geschenkt.

Präsentiert werden in der über zwei Etagen laufenden Ausstellung genau 49 Projekte für Stadtplanungen oder Wohnungsbauten und damit knapp ein Fünftel von Kriers gesamten Projekten. Eine seiner frühen und heute noch von ihm als wichtig bezeichneten Bauten sind die begrünten Wohnhöfe in der Berliner Ritterstraße mitsamt der Replik des Feilnerhauses von Karl Friedrich Schinkel. Für das zerstörte Quartier nahe der Mauer übernahm er 1977 die historisch gewachsene Blockstruktur der Stadt. Damit leitete Krier eine behutsame Stadterneuerung in die Wege, die sich wenig später die Internationale Bauausstellung (IBA ’83) auf ihre Fahnen schrieb. Und er wurde zum Spezialisten für diffizile Baulücken ebenso wie für Masterpläne, die er klar strukturierte.

Auch in den Wohnungen gruppiert er alles um einen zentralen Raum, die Küche, von der die Zimmer abgehen. Damit spart Krier den Flur ein, im sozialen Wohnungsbau ein wichtiger Faktor. Heute, so berichtet er, sind die vorwiegend in seinen frühen Berliner Wohnungen lebenden Türken glücklich über die ihnen aus der Heimat vertraute Einteilung. Allerdings ist Krier seit einiger Zeit in Deutschland nicht mehr gefragt. Anfang der Neunzigerjahre baute er noch eine komplette Kleinstadt mit 2800 Wohnungen im Potsdamer Kirchsteigfeld. Auch hier entwarf er gewundene Straßen statt Sichtachsen, plante Giebel und Erker statt kahler Blöcke. Doch das Pittoreske wurde ihm umgehend als zu populistisch angekreidet.

Seither aber boomt sein Baustil in den Niederlanden, wo er als Romantiker gefeiert wird. In Frankfurt wird er sogar als „romantischer Rationalist“ bezeichnet, wie der Ausstellungstitel heißt. Denn Krier kämpft gegen die Auswüchse des modernen Städtebaus, bedient sich dazu aber historischer Positionen. Für ihn sind alle Stile frei verfügbar, da die früheren Lebens- oder Herrschaftsformen nicht mehr existieren. In Brandevoort bei Eindhoven plant und baut Krier seit 1995 eine Kleinstadt für 20000 Einwohner, die sich an Bauten des 17. und 18. Jahrhunderts orientiert. Jedes Haus erhält aber eine individuelle Fassade. Das Zentrum bilden eine Kirche und ein Marktplatz; begrenzt wird das Ensemble von fünf Stadttoren als Eingang zur Stadt oder als Übergang zur Bahnstation. Immerhin – der Retro-Trend hat die Stadtflucht der mittleren und höheren Einkommensschichten gestoppt.

Die Begeisterung der Niederländer für Kriers Bauten mag auch daran liegen, dass schon seine Skizzen viel Atmosphäre vermitteln. Krier ist ein exzellenter Zeichner, der sich indessen nicht immer um die Details schert. Dieser künstlerischen Seite räumt die Frankfurter Ausstellung großen Raum ein und zeigt seine beschwingten Skizzen in Tusche, Aquarell oder Öl. Der Mann hat zwar eine Mission. Doch er kann durchaus loslassen und allein seinen Träumen nachhängen.

Frankfurt amMain, Deutsches Architekturmuseum, Schaumainkai 43, bis 30. Oktober. Katalog 25 €.

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