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Kultur: Der Melancholiker - Zum Tod des schwedischen Schriftstellers

Göran Tunström war zwölf, als sein Vater mit 54 Jahren starb. Er hat es offenbar nie verwunden.

Göran Tunström war zwölf, als sein Vater mit 54 Jahren starb. Er hat es offenbar nie verwunden. "Man erlebt Augenblicke, die nie zu Ende gehen", schrieb er später. Der Tod war sein ständiger Begleiter. Jahrelang war er überzeugt, nicht älter als sein Vater zu werden. Er litt an Schreibhemmungen und Lebensüberdruss, er erlitt einen Herzinfarkt und erkrankte an Lungenkrebs. Der hat ihn nun geholt: Mit 62 Jahren ist Tunström am Wochenende in seiner Stockholmer Wohnung gestorben.

Melancholie hat seine großen Romane immer durchzogen, oder besser: Trauer. In einem der schönsten Romane, die in Schweden nach dem Krieg geschrieben wurden, "Solveigs Vermächtnis" (dt. 1989), ist es die Trauer um eine tödlich verunglückte junge Frau. Sie hatte sich auf den Weg gemacht, um Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium einzuüben. "Weihnachtsoratorium": So hieß der Roman auch im Original.

Er spielt im Städtchen Sunne in der Provinz Värmland, dort wurde Tunström 1937 geboren, von dort stammt auch Selma Lagerlöf, die wohl berühmteste schwedische Erzählerin. Oft genug ist Sunne der Schauplatz seiner Romane, auch in "Der Dieb" (dt. 1991), eines ebenso poetischen wie humorvollen Meisterwerks.

Tunströms erster Roman "Quarantäne" erschien 1961. Aber der große Durchbruch bei Kritik und Publikum kam 1983 mit "Solveigs Vermächtnis". Dafür erhielt er auch den Literaturpreis des Nordischen Rats. Auf deutsch erschien zuletzt "Der Mondtrinker" (1998), ein wundervoller Roman über eine Vater-Sohn-Beziehung, der ausnahmsweise in Island spielt, wo Tunström vier Jahre lang gelebt hat.

Auch hier ist eine junge Frau zu früh gestorben, auch hier spielt die Musik - Haydn, Mozart, Händel - eine tragende Rolle, und doch war Tunströms Humor nirgendwo so groß wie hier. Vielleicht ist sein eigener früher Tod eine Aufforderung, zumindest "Solveigs Vermächtnis" oder den "Mondtrinker" zu entdecken oder noch einmal zu lesen.

Peter Urban-Halle

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