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Kultur: Der Mensch als Maschine Videoarbeiten der schwedischen Künstlerin Sofia Hulten in Berlin

Es gibt einen Sketch von Loriot, in dem ein seriöser Herr in ein Büro kommt, eine Büroklammer aufheben will, dabei eine Stehlampe umstößt, die wiederum ein Regal ins Wanken bringt. Binnen weniger Minuten ist das Büro ein Trümmerfeld und der seriöse Herr ein Wrack.

Es gibt einen Sketch von Loriot, in dem ein seriöser Herr in ein Büro kommt, eine Büroklammer aufheben will, dabei eine Stehlampe umstößt, die wiederum ein Regal ins Wanken bringt. Binnen weniger Minuten ist das Büro ein Trümmerfeld und der seriöse Herr ein Wrack. Der Mensch: Ein ungeschicktes Ungetüm im Universum der Gegenstände, das einzige disfunktionale Element in einer ansonsten reibungslos ablaufenden Maschinerie.

Genau diese Verwobenheit von Mensch und Maschine wird in einem amüsanten Video von Sofia Hulten in der Galerie Koch und Kesslau thematisiert: Die Künstlerin im Blaumann will ein Regal aufbauen eine Tätigkeit, die sie binnen weniger Minuten in ebensolche Bedrängnis bringt wie den seriösen Herrn in seinem Büro. Denn die Künstlerin macht dieselbe nervtötende Erfahrung, die jedem bekannt ist, der schon mal ein Ikeamöbel zu Hause aufgebaut hat: Jeder Handgriff, der zur Konstruktion beitragen soll, kann zu dessen Destruktion führen und jeder Griff kann zum Fehlgriff werden. So wird auch in dem Video der schwedischen Künstlerin ein harmloses Blechregal zum schrecklichen Monster. So sehr ist die Künstlerin Teil der Konstruktion, an der sie gerade bastelt, dass jede flüchtige Handbewegung zum Zusammenbruch und jeder falsche Schritt zum Scheitern führen kann.

Eine andere Arbeit in der Gruppenausstellung „Here and Now“ im Büro Friedrich zeigt die Künstlerin in einer Reihe von Episodenfilmen ebenso verwickelt in die Welt der Dinge. Diesmal schleicht sie sich im Kostüm als Sekretärin verkleidet in ein Büro ein, wo sie sich auf oder unter, vor oder hinter diversen Gegenständen versteckt: Einmal steigt sie in einen Schrank, einmal darauf, einmal stülpt sie sich einen Müllsack über und einmal verbirgt sie sich hinter einer Jalousie. In jedem Fall wird sie wie ein Insekt Teil des Gegenstandes, der sie verbirgt wie die Pflanze die Heuschrecke.

Dabei sind Hultens Videos weniger harmlos als es den Anschein hat. Egal ob sie mit einem Regal verschmilzt oder mit der Welt des Büros: Mit ihren ebenso amüsanten wie desaströsen Verwicklungen zwischen Mensch und Maschine diskreditiert die Künstlerin einen zentralen Gedanken jeder aufklärerischen politischen Theorie: Ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Maschine ist schon deshalb nicht möglich, weil der Mensch nicht das Gegenüber der Maschine ist, sondern deren integraler Bestandteil ­ laut Heidegger und Loriot gehört der Mensch zum „Gestell“ der modernen Technik, so wie die zappelnden Arme und Beine der Künstlerin Teil des Regals werden, das mit ihrem Körper hält oder mit ihm zusammenbricht. Knut Ebeling

Galerie Koch und Kesslau, Weinbergsweg 3, bis 29. Juli; Mittwoch bis Freitag 14-19 Uhr, Sonnabend 13-18 Uhr. Büro Friedrich, Holzmarktstraße 15-18, bis 28. Juli; Dienstag bis Sonntag 13-18 Uhr.

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