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Kultur: Der Messdiener

Samuel Keller, Chef der Art Basel, hat den Beruf des Messedirektors neu erfunden

Der Mann ist blitzgescheit, charmant und smart. Samuel Keller hat mit Messen vom Format der Art Basel Miami Beach nicht nur den Kunstmarkt verändert, sondern ihm einen neuen Typus hinzugefügt: den des coolen Messemanagers. Er trägt Anzug, Sneakers und Glatze und passt sich spielend jeder Umgebung an. Ohne Schwierigkeit kann man sich den 40-jährigen Schweizer heute auf der mondänen Yacht eines Großsammlers vorstellen und morgen mit einer Gruppe junger Galeristen in einer hippen Bar in Berlin-Mitte.

Er ist überall und gleichzeitig kaum zu greifen und wurde vielleicht deshalb kürzlich von einem amerikanischen Magazin zu den „50 schnellsten Menschen der Welt“ gezählt. Vor allem während der Art Basel scheint sich Keller zu vervielfachen, taucht an mehreren Orten gleichzeitig auf und wird jedem gerecht: hat ein Lächeln für die ältere Dame, die sich in der VIP-Lounge erschöpft mit einem Kübli Champagner in die Polster sinken lässt, tauscht zwischen den Messeständen ein wissendes Nicken mit dem amerikanischen Erfolgsgaleristen aus und zwinkert im Pressebereich der angereisten Journalistin zu, die zu ihrem eigenen Erstaunen prompt errötet.

Keller ist ein Tausendsassa, der im Frühjahr 2008 noch einmal zu neuen Ufern aufbricht und die Direktion der Fondation Beyeler übernehmen wird. Der Art Basel geht er dennoch nicht verloren. Keller tauscht den Posten des Messedirektors gegen den des Präsidenten auf strategischer Ebene ein, was seinen Einfluss vergrößern dürfte: Als Direktor konnte er nicht direkt über die Auswahl der teilnehmenden Galerien mitbestimmen, zukünftig kann er seinen Einfluss mit der eigenen Stimme geltend machen.

Wobei Machtgelüste sicher nicht Kellers Antriebsfeder sind, eher die Lust an Kommunikation und Networking. Schließlich leitete er bei der Art die Abteilung Kommunikation, bevor er die Direktion der weltweit bedeutendsten Kunstmesse im Jahr 1998 übernahm. Seine Karriere verlief rasant: Kaum hatte er sein Studium der Kunstgeschichte und der Philosophie begonnen, wurde er Pressesprecher der Art, innerhalb von wenigen Monaten Senior Communications Manager und schließlich Deputy Director.

Zu seinen frühen Förderern zählt der Galerist, Museums- und Messemitbegründer Ernst Beyeler. Er war es auch, der Keller angeboten hat, die Nachfolge Christoph Vitalis in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel zu übernehmen – obwohl Keller bis heute keine Ausstellung kuratiert hat. Doch neben seinen einzigartigen Kontakten zur internationalen Sammler-, Galeristen- und Künstlerszene bringt der in Riehen aufgewachsene und mit Frau und Kind in Basel lebende Keller eine innige Leidenschaft für das Haus mit: Schon als Jugendlicher sei er gern in den Gärten spaziert, erzählt er. Das klingt sehr geerdet für einen Messemanager, den Zeitungen aufgrund seiner Coolness und Popularität schon einmal als den „Robbie Williams“ oder „Puff Daddy“ der Kunstszene bezeichnen. Ihm selbst liegen solche Beschreibungen fern. Er lese lieber Artikel über die Art als über sich selbst, sagt Keller so überzeugend, dass man keine Sekunde daran zweifelt.

Trotz seiner tiefen Bindung an die Kunststadt Basel, ist Provinzialität das Letzte, was man Keller vorwerfen könnte. Schließlich war er es, der allen Widerständen zum Trotz im Jahr 2002 die Idee der Art Basel Miami Beach realisierte und der Art damit eine glamouröse kleine Schwester an die Seite stellte. Ein Erfolgsmodell: Die ABMB avancierte als „Messe mit Festivalcharakter“ (Keller) innerhalb von wenigen Jahren zur erfolgreichsten Kunstmesse Nord- und Südamerikas und ist mit ihren bereits legendären Strand- und Hotelpartys nicht nur in der Kunstszene ein gesellschaftlicher Höhepunkt geworden. Zum einen setzte Keller damit den jungen aufstrebenden Kunstmessen Frieze und Art Forum Berlin ein Kraftfeld entgegen, zum anderen wirkten sich Floridafrische und feste Bindungen an süd- und nordamerikanische Sammler und Galeristen auch positiv auf die traditionelle Art aus. „Die zunehmende Größe, Komplexität und Beschleunigung der Kunstwelt erfordern eine verstärkte Vernetzung und Kooperation“, weiß Keller.

Obwohl die ABMB so erfolgreich war, gab Keller der Versuchung nicht nach, das Label „Art Basel“ als Verkaufs- und Qualitätsgaranten durch immer weitere Ableger – etwa in Asien und Russland, wo ebenfalls potente Sammler sitzen – zu verwässern. „Wir haben Anfragen von Metropolen aus aller Welt. Aber gute Kunst ist rar, und eine Veranstaltung auf dem Niveau der Art Basel kann man nicht multiplizieren. Unser Ziel ist es, die Kunstinteressenten aus aller Welt nach Basel zu holen, nicht Filialen zu eröffnen“, sagt Keller.

Gleichzeitig setzt er auf Bewegung. „Alles bleibt neu!“, antwortet er auf die Frage nach neuen Ideeen für die Art. Keller ist ein Meister der permanenten Veränderung in homöopathischen Dosen, die immer ein Wiedererkennen verspricht und doch genug Neues bereithält, um die Neugier des internationalen Publikums wachzuhalten. Etwa zehn Prozent der rund 280 Teilnehmer wechseln pro Jahr, stets feilt die Art an ihrem Programm und reagiert auf neue Entwicklungen. Mit neuen Präsentationsflächen wie der angegliederten Sonderhalle Art Unlimited hat sich die Art in den letzten Jahren noch weiter verjüngt, ohne dabei die Freunde der Klassischen Moderne zu verschrecken. Für Keller ist das ohnehin kein Widerspruch: Junge und ältere Kunst gehören für ihn zusammen, „sind Teile eines Körpers“.

Profitiert hat die Art Basel natürlich auch von dem Kunstboom der letzten Jahre. „Die Branche hat so viel Kraft wie nie zuvor“, sagt Keller. Die Messe spiegelt diese Entwicklung wider und erzielte im Sommer die bisher besten Verkaufserlöse in ihrer Geschichte. Es ist ein idealer Zeitpunkt für Keller, die Administration der Messe künftig anderen zu überlassen. Schließlich verlässt der Kapitän kein sinkendes Schiff. Keller wird die Art vielmehr auf gutem Kurs halten – und übernimmt lediglich noch das Management eines der schönsten Häfen dazu.

Der 1966 in Basel geborene Samuel Keller studierte Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität in Basel.

1994 wurde er Kommunikationsleite r und 1998 Direktor der Art Basel, der wichtigsten Kunstmesse der Welt.

2000 übernahm er

zudem die Leitung der Art Basel Miami

Beach , die 2002

erstmals stattfand.

2008 wird er Direktor der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel, die eine erstklassige Sammlung Moderner Meister beherbergt und zu den meistbesuchten Museen der Schweiz zählt.

Keller ist Präsident der Kunstkommission des Lions Club Basel und wird zukünftig die Art als Präsident der Art Kunstmesse AG begleiten.

Der Messemanager erhielt zahlreiche Auszeichnungen , u. a. den PODER Award for

Cultural Development im Jahr 2003 und den Basler Stern 2004.

Katrin Wittneven

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