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Kultur: Der One-Click-Kauf

Richter, Kippenberger, Pettibon: Noch sind Onlineauktionen verpönt, doch der Markt ändert sich. Besuch bei Internethändlern.

„Kommen wir nun zur Losnummer 94“, sagt der freundliche Auktionator. Die Kamera zoomt Gottfried Helnweins Ölbild „Blue Madonna“ heran. Das Blau leuchtet, der Startpreis beginnt bei 24 000 Euro. Während der Kunstexperte Victor Wiener erzählt, dass Helnweins Variation auf die „Felsgrottenmadonna“ besonders von Freunden Leonardo da Vincis geschätzt wird, zeigt die Anzeige rechts im Monitor, dass die Gebote allmählich steigen. Bei 40 000 Euro tritt eine Pause ein. Jetzt könnte man zu Hause am Computer per Mausklick auf 45 000 Euro erhöhen. Ein Markus hat das inzwischen von der Schweiz aus getan. „Helnwein erzielt international bis zu 200 000 Euro für diese Bilder“, wirft Fabian Markus am Pult ein, da erscheint ein Gegenbieter auf dem Display. Doch Markus meldet sich in den virtuellen Auktionssaal zurück und bekommt den Zuschlag bei 55 000 Euro.

Onlineshoppen ist auf dem Kunstmarkt immer noch verpönt. Die Offliner beschwören den persönlichen Kontakt – vom Sammler zum Kunstwerk und Händler. Doch eine neue Generation tritt an, mischt Galerien und Auktionshäuser auf. Mit eigenen Technologieentwicklungen, mit aggressivem Marketing und finanzkräftigem Hintergrund. Steht der One-Click-Picasso bald im Netz oder ist das nur alter Wein in neuen Schläuchen?

Beim Ausflug ins World Wide Web stößt man auf trendy Design bei Artsy oder die seriöse Gestaltung von The Auction Room. Andere versuchen die Internetgrößen Artprice oder Artnet zu kopieren, was letztlich auf das Ebay-System hinausläuft und bisweilen in gähnender Langeweile wie beim Edeltrödler Boubaker endet. Dotcom-Unternehmen wie Artfact, LiveAuctioneers oder The Saleroom stellen Versteigerern Livesysteme für den Saal zur Verfügung.

„Unsere Kunden, die das Onlineangebot nutzen, bieten aber am Ende doch lieber parallel am Telefon mit“, sagt Henrik Hanstein. Für den Inhaber des Kölner Kunsthauses Lempertz hat das Internet das Geschäft auf jeden Fall internationalisiert. Besonders im Hinblick auf asiatische Sammler. Doch die Echtzeitübertragung hat nach wie vor ihre Tücken, und ein nur annähernder Auktionsgenuss verbindet sich für den Nutzer damit nicht. Das Prickeln, die Spannung, wenn der Hammer fällt, fehlt gänzlich bei Häusern, die sich mit Abbildungen begnügen. Da, wo es Livebilder gibt, sind sie briefmarkenklein. Eine Full-Screen-Funktion sucht man vergeblich.

Alexander Zacke will mit seinem 2010 gegründeten Unternehmen Auctionata den Kunden im Wohnzimmer erreichen. E-Commerce in Reinkultur schwebt dem Österreicher mit Firmensitz in Ku’damm-Nähe vor. Mit seiner Vision hat der Spross einer Kunsthändlerfamilie finanzkräftige Investoren überzeugt und 20 Millionen Euro Venturecapital eingeworben. Die technische Entwicklung hat der frühere Dorotheum-Mitarbeiter und Ebay-Powerseller dem IT-Profi und heutigen CTO Georg Untersalmberger überlassen. Die Software ist patentiert.

Seit dem Start im letzten Dezember, sagt Zacke in seinem Büro an einem historischen Spieltisch sitzend, haben die Umsätze mit 6,5 Millionen Euro bereits jetzt die Hälfte der Jahreserwartung überschritten. Den Löwenanteil erzielte der spektakuläre Zuschlag für Egon Schieles „Liegende Frau“. Über 1,87 Millionen Euro (nach Aufgeld) die Zeichnung im Juni. Bewilligt von Karl aus Österreich. Man nennt sich beim Vornamen, um persönliches Flair im virtuellen Raum zu verbreiten. Dennoch mag ein authentisches Gefühl nicht aufkommen, der Auktionator agiert vor leerer Kulisse, bis auf jene Handvoll Besucher hinter einer Glasscheibe. Wer sich von diesem TV-Verkaufsshow-Charme nicht abschrecken lässt, kann im Chat Fragen zum aufgerufenen Los stellen und bekommt direkt eine Antwort. Die Strategie soll der Kundenbindung dienen. Übertragen wird aus dem eigenen Fernsehstudio in einer Charlottenburger Fabrikhalle, wo sich auch das Lager samt Fotostudio befindet. Da steht der E-Commerce dann ebenso auf analogem Boden wie bei den Preisen.

Einlieferer und Käufer zahlen je 23,8 Prozent, was den konventionellen Versteigerern entspricht. Nur die Angebotspalette sprengt die üblichen Gepflogenheiten. Allwöchentlich werden Objekte aus einer der 16 verschiedenen Sparten versteigert, Kuriositäten inklusive. Trotzdem liegt der Durchschnittspreis pro Los laut Zacke bei 16 000 Euro. Artnet beziffert seinen Durchschnitt auf 7907 US-Dollar. Der rasante Auftritt des Berliner Start-ups wird von der Kunstszene skeptisch verfolgt, von der Gründergemeinde gefeiert. Wenn sich die Marke in Deutschland etabliert hat, soll Auctionata in die USA expandieren.

Für Florian Baron steht die Kunst im Zentrum. Mit The Spotlist hat er 2011 ein Portal gegründet, das via Internet Kontakte von Sammler zu Sammler vermittelt. Zuvor hat der Kunsthistoriker acht Jahre lang in Galerien gearbeitet. Die weitverbreitete Meinung, Kunst lasse sich online nur zu Niedrigpreisen handeln, teilt er nicht. Seine Ursprungsidee, mit namhaften Galerien zu kooperieren und Werke bis zu maximal 20 000 Euro anzubieten, lief eher schleppend an.

Baron, Jahrgang 1970, schloss sich mit Art Consultants aus den USA zusammen und konzentriert sich nun von Hamburg aus auf Künstler wie Martin Kippenberger, Tatiana Trouvé oder Raymond Pettibon. Auf der „Wish-List“ können Sammler konkrete Arbeiten zur Suche einstellen lassen. Die Provision beträgt je siebeneinhalb Prozent für Käufer und Verkäufer. Im laufenden Jahr haben 20 Werke über The Spotlist den Besitzer gewechselt. „Die kenne ich alle persönlich. Wenn ein millionenschweres Bild von Gerhard Richter angeboten wird, verkauft sich das nicht per Mausklick“, sagt Baron. Am Ende funktioniert auch der Internethandel analog.

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