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Der 39-jährige israelische Pianist Saleem Ashkar.

© Peter Rigaud

Der Pianist Saleem Ashkar: Was es mir bedeutet

Saleem Ashkar spielt Beethovens Klaviersonaten an verschiedenen Berliner Orten, ergänzt um Videos und Diskussionen. Ein ambitioniertes Projekt.

Sie sind so etwas wie die Achttausender der Klavierliteratur: Beethovens 32 Sonaten. Und wie diese mindestens ebenso oft bestiegen. Der israelisch-palästinensische Pianist Saleem Ashkar will nun den Zyklus nicht einfach ein weiteres Mal durchspielen. Sondern in einem ambitionierten Projekt daran erinnern, dass Kunst mit Leben zu tun hat – mit dem eigenen. „Mein Weg zu Beethoven“ könnte man die acht Konzerte betiteln, die er in dieser Saison gibt, an spannenden Orten: der Mendelssohn-Remise, dem Stilwerk, der Villa Elisabeth oder dem Boulez Saal der Barenboim-Said-Akademie. In Filmen und Diskussionsrunden schildert Ashkar, was Beethoven ihm ganz persönlich bedeutet. So soll die Person, die Biografie des Künstlers die Musik beglaubigen, sie wahrhaftiger, lebensnäher machen. Funktioniert das, und vor allem: Braucht Beethoven das?

Beim Konzert im Jüdischen Museum ging es um „Kunst in existentiellen Zeiten.“ Das ließe sich natürlich umstandslos auf die Gegenwart anwenden: Krieg, Terror, Flüchtlinge, Trump ante portas, die Kontoführungsgebühren der Sparkasse schießen durch die Decke – wahrlich existentielle Zeiten. So meint es Ashkar aber gar nicht. Existentiell ist für ihn das Spätwerk der großen Meister, die sich im Angesicht des nahen Todes auf ihre Vorgänger besinnen.

Verzweifelte Musik erklingt an diesem Abend im Jüdischen Museum

Im Film sieht man ihn durchs Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück wandeln, mit seinem ehemaligen Lehrer Michael Wolpe, der – wie sich später herausstellt – ein Nachfahre Nussbaums ist. Im Gespräch mit Ulf Werner vom Konzerthaus Berlin schildert er, wie sich der Maler Nussbaum kurz vor seiner Entdeckung durch Nazi-Schergen mit Dürer und Hieronymus Bosch befasst hat, so wie  Beethoven in seinen letzten Jahren plötzlich eine (Bachsche) Fuge nach der anderen schrieb.

Existentielle Getriebenheit prägt auch Ashkars Interpretationen der vier Sonaten dieses Abends. Es ist verzweifelte Musik, die ein scheinbar unerreichbares Ziel vor Augen hat, so in der C-Dur-Sonate op. 2 Nr. 3 und in op. 31 Nr. 2. Anders als etwa der sehr viel gemessener, augenblicksverhafteter agierende Andras Schiff sattelt Saleem Ashkar zum Ende einer Phrase hin immer noch eins drauf, verhäkelt sich im Allegretto der F-Dur-Sonate op. 54, schüttelt schließlich in op. 101, mit dem das Beethovensche Sonatenspätwerk einsetzt, alle Scheu vor dem Rohen, Hässlichen ab. Letztlich bleibt es bei einem soliden, relativ konventionellen Konzertabend, garniert mit anregenden weiterführenden Aspekten. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Nächstes Konzert von Saleem Ashkar (Motto: „Mendelssohns Beethoven“) am 19. November, 20 Uhr in der Mendelssohn-Remise, Jägerstraße 51

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