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Kultur: Der Politik die Arbeit schwerer machen

FBI und CIA fragen in diesen Tagen Hollywood-Autoren um Rat, welche Szenarien sie bei künftigen Terroranschlägen für möglich halten: Fantasie-Nachhilfe zur Katastrophen-Prävention. Auch Bundeskanzler Schröder hatte Vorsorge im Sinn, als er am Samstagabend gut zwei Dutzend Schriftsteller, Intellektuelle und Künstler zu sich ins Kanzleramt einlud, mit ihm über die Folgen des 11.

FBI und CIA fragen in diesen Tagen Hollywood-Autoren um Rat, welche Szenarien sie bei künftigen Terroranschlägen für möglich halten: Fantasie-Nachhilfe zur Katastrophen-Prävention. Auch Bundeskanzler Schröder hatte Vorsorge im Sinn, als er am Samstagabend gut zwei Dutzend Schriftsteller, Intellektuelle und Künstler zu sich ins Kanzleramt einlud, mit ihm über die Folgen des 11. Septembers zu reden (vgl. Tagesspiegel vom 9. November). Der Kanzler möchte verhindern, dass die Diskussion um einen deutschen Kriegseinsatz und verschärfte Gesetze zur inneren Sicherheit die Gesellschaft moralisch-politisch zerreißt und in der kulturellen Szene eine neue Kluft schafft zwischen "Geist und Macht". Darum sucht Schröder jetzt den Dialog mit den Intellektuellen - anders als Bush wohl jemals in den USA, aber ähnlich wie einst Willy Brandt oder wie Francois Mitterrand, der von ihm geschätzte Schriftsteller regelmäßig zu exquisiten, halbprivaten Essen in den Elyssée-Palast bat. Allerdings wurde dem Präsidenten dort selten widersprochen.

Das war vorgestern Abend im Bankett-Saal des Berliner Kanzleramts völlig anders. Dort hatten sich überwiegend kritische Geister versammelt, unter ihnen Günter Grass und der 88-jährige Stefan Heym, Christa Wolf, Martin Walser, Peter Rühmkorf, Walter Jens, Volker Braun, Friedrich Christian Delius, Christoph Hein, der Philosoph Peter Sloterdijk, die Regisseure Jürgen Flimm und Volker Schlöndorff sowie der iranische Exil-Lyriker Said, der zugleich Präsident des deutschen PEN-Clubs ist. Nach Tagesspiegel-Informationen soll Christa Wolf, die frühere Einladungen zum Regierungschef (er hieß Honecker) noch in zwiespältigster Erinnerung hat, angesichts der zunächst west-lastigen Gästeliste auf eine stärkere Beteiligung von ostdeutschen Autoren gedrängt haben. Und so dürfte zumindest Ingo Schulze, 1962 in Dresden geboren und durch seine "Simple Storys" bekannt geworden, den Altersdurchschnitt der ehrwürdigen Versammlung erheblich gesenkt haben.

Vier Stunden, zwischen 18 und 22 Uhr, haben die Geistesgäste mit dem Kanzler und dem hinzugebetenen Innenminister Otto Schily beim vertraulichen Treffen diskutiert. Schröder hatte das von seinem Journalisten-Freund Manfred Bissinger ("Die Woche") moderierte Gespräch mit dem Hinweis eröffnet, er habe die Anwesenden eingeladen, weil sie ja dazu da seien, den Politikern die Arbeit schwerer zu machen. Die folgenden Standpunkte waren dann nicht neu, aber der Kanzler, der sich viele Notizen machte, soll mit seiner Offenheit, auch gegenüber scharfen Einwänden, imponiert haben. Er versuchte klarzumachen, dass die Solidarität mit den USA in Kriegsfragen keine Kritiklosigkeit bedeute. Walter Jens hinterher zur Agentur: "Small talk war das nicht."

P.v.B.

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