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Von wegen akustisch. Ein paar elektronische Geräte hat Cro auf der Unplugged-Tour dann doch dabei.

© DAVIDS

Der Rapper Cro in der Wuhlheide: Immer schön easy, Leute

Hoch die Hände: Der Stuttgarter Rapper Cro gibt sich in Berlin die Ehre, unplugged in der Wuhlheide.

Irgendwann, nach einer guten Stunde, hat Cro auch die älteren Herrschaften im Publikum auf seiner Seite. Auf der Bühne stehen nämlich die, die vor 25 Jahren jung waren und aktuell wegen der Fernsehshow „Sing Meinen Song“ einen zweiten Frühling erleben: die Prinzen. Die ehemaligen Chorknaben stimmen ihr 1991 veröffentlichtes „Millionär“ an, das anschließend in den Cro-Hit „Einmal um die Welt“ übergeht. Und plötzlich erheben sich die verblüfften Erziehungsberechtigten von ihren Bänken und versuchen, sich im Takt der Musik zu bewegen. Wo vorher ein Mix aus milder Nachsicht zu herrschen schien – jaja, die Jugend – und Erleichterung, dass dieser Künstler trotz seiner Pandamaske alles in allem recht gut erzogen ist, sind sie also auf einmal Teil des Ganzen. Schön anzusehen!

Cro ist in der Stadt. Der schmale Schlacks aus den Stuttgarter Hügeln ist der Gegenentwurf zu den Kollegahs und Haftbefehls dieser Welt. Krass ist bei ihm gar nichts, höchstens die Tatsache, dass er während des Konzerts einmal seine Hose von Jeans auf Tarnfleck wechselt. Seit seinem Debüt „Raop“ (2012) funkt Cro, der mit bürgerlichem Namen Carlo Waibel heißt, straight outta Jugendzimmer seine Weisheiten, und seitdem hören die Kids zu. Er kokettiert mit diesem Image, rappt in „Never Cro Up“ selbst, er sei „der Typ, der immer noch zu Hause wohnt“.

Tausende Smartphone-Bilder von Cro: Dummerweise gibt's ein Funkloch

Das Cro-Publikum besteht im weitesten Sinne aus entsprechend jungen Menschen. Auf den Rängen die elternbegleiteten ganz Kleinen, die den recht routiniert wirkenden Jetzt-alle-die-Arme-Hoch-Ansagen noch mit glänzenden Augen folgen. Unten vor der Bühne dann etwas ältere Turn- und Leinenbeutelträger, die über weite Teile des Konzerts damit beschäftigt sind, erstens Bilder von sich und ihren Freunden zu machen und zweitens die Ereignisse des Abends über die angesagtesten sozialen Netzwerke in die weite Welt auszusenden. Was eine Herausforderung darstellt: Die Wuhlheide ist an diesem Abend ein einziges Funkloch.

Wer hierzulande dabei sein möchte, spielt auch Unplugged-Konzerte

Einmal macht sich Cro dezent lustig über die vielen Mobiltelefone in den ersten Reihen, kein Wunder, auf der Bühne gibt es viel zu sehen. Der Abend in der Wuhlheide ist Teil seiner „MTV Unplugged“-Tour. Die älteren werden sich erinnern: „MTV Unplugged“ war zu Zeiten, in denen der amerikanische Musiksender tatsächlich noch weltweit und großflächig zu empfangen war, ein Format, das Genregrenzen dehnte und zu einigen der interessantesten Auftritte der Rock- und übrigens auch der Hip-Hop-Geschichte führte. Musikfernsehen ist bekanntermaßen in der Krise, MTV sendet in Deutschland nur noch verschlüsselt und deshalb ohne nennenswerte Reichweite, „Unplugged“ wurde jedoch als Marke beibehalten und scheint nach wie vor beliebt zu sein. Sido, die Toten Hosen, Die Fantastischen Vier, Sportfreunde Stiller, BAP, Unheilig, Revolverheld: Wer hierzulande oben dabei sein möchte, braucht ein Unplugged-Konzert im Portfolio.

Wobei Fallstricke lauern: Oft genug führt der Wechsel des musikalischen Bestecks zu latent angeberischem Expertentum mit müffelnden Musiklehrer-Schwingungen. Cro umgeht das, indem er den Begriff „Unplugged“ in der Wuhlheide locker nimmt. Der Bass ist (meistens) elektrisch, und natürlich haben Plattenspieler und Macbook ihren Platz auf der Bühne. So klingt das auf einem Sample der Band Bloc Party basierende „Rockstar“ eigentlich wie immer.

Seinen Hit "Easy" hebt Cro bis zum Schluss auf

Aber auf einer Art dreistöckigem Regal im hinteren Bühnenbereich stehen und sitzen eben auch Streichquartett, Bläser und Backgroundsängerinnen. Gemeinsam inszenieren sie einen angenehmen Sound zwischen smoothem Jazzpop und dem geschmeidigen Philly-Soul der Früh- bis Mittsiebziger Jahre, der ohne große Eitelkeiten auskommt. Das passt recht gut zu den einprägsamen Stücken Cros . Nur einmal wird das Unplugged-Konzept heruntergefahren. Cros Kollege Danju kommt zu „Meine Gang“ auf die Bühne, was folgt, ist quasi der HipHop-Block des Abends. Kurz fallen Begriffe wie „Bitch“ oder „Hoe“, sie verpuffen im Halbrund der Wuhlheide relativ wirkungslos. Später folgen die Orsons, zarte Hoffnungen im Publikum auf einen Gastauftritt von Haftbefehl, der auf dem Album ebenso zu hören ist, werden leider nicht erfüllt.

Seinen größten Hit hebt Cro bis zum Schluss auf: „Easy“ basiert auf „Sunny“, dem eigentlich ein wenig melancholischen Stück von Bobby Hebb aus dem Jahr 1966. Dass „Easy“ innerhalb des Wirkprinzips so einer Show hervorragend funktioniert, ist klar, dass die Musiker anschließend noch einmal beherzt schmettern dürfen, ebenfalls. Gut, dass „Unplugged“ nicht automatisch leise bedeutet!

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