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Kultur: Der Reichtum des Januar

San Gennaros Schätze funkeln jetzt in Rom.

Der Heilige Januarius, als sie ihm am 19. September 305 das Haupt abschlugen, hinterließ den Neapolitanern zwei gläserne Ampullen mit einer rätselhaften braunroten Substanz. Diese verflüssigt sich jedes Jahr zweimal. Um das Mirakel zu sehen, läuft bis heute die ganze Stadt herbei: „Das Blut des San Gennaro!“, sagen die Neapolitaner und freuen sich: Ein gutes Vorzeichen! Wenigstens eines!

Es gibt Jahre, in denen die körnige Masse fest bleibt. Dann drohen Pest und Cholera und Vesuv und Krieg. Was Wunder, dass die Neapolitaner jahrhundertelang versucht haben, San Gennaro günstig zu stimmen. Sie haben ihn förmlich bestochen. Mit dem Besten, das sie hatten. Ihm spendeten Arme wie Reiche, Händler und Könige, auch durchreisende Staatsoberhäupter oder ein aus Rom vertriebener Papst, die Bürgerschaft als Ganze.

Herausgekommen ist dabei ein Schatz, der in der Welt nicht seinesgleichen hat, der selbst die Kronjuwelen der Queen billig aussehen lässt und mit dessen schierem Materialwert man wahrscheinlich den gesamten italienischen Staatshaushalt sanieren könnte. 70 der mehr als 21 000 Stück sind derzeit in Rom ausgestellt, auch solche, die bis jetzt unsichtbar im Tresor verborgen waren. Es ist das erste Mal, dass Neapel seinen „Tesoro di San Gennaro“ auf Tournee gehen lässt.

Da sind die 3,40 Meter hohen Leuchter aus reinem Silber, jeder zweieinhalb Tonnen schwer. Da sind die lebensgroßen Büsten des San Gennaro und der anderen 50 neapolitanischen Schutzpatrone – allesamt aus massivem Silber, schwelgender Barock in höchster künstlerischer und emotionaler Ausdruckskraft. Da strahlt die genau dreihundert Jahre alte Mitra des Heiligen, die sie ihm bei den Prozessionen durch die Stadt aufgesetzt haben, da funkelt das Collier, das er umgelegt bekam: Ein Arrangement aus 3700 Diamanten, Rubinen und Smaragden die erste; ein Gebinde aus massivem Gold das zweite, behängt mit Kreuzen aus den größtmöglichen Edelklunkern, die Europas Monarchen aufzutreiben in der Lage waren. Und da steht der Kelch aus reinstem Gold, den Papst Pius IX. dem Heiligen Januarius für seine Rettung aus dem Exil vermacht hat: 3000 Dukaten hat er um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gekostet. Für diese Summe, sagt Paolo Jorio, der Chef des neapolitanischen Schatzmuseums, bekäme man heute hundert Ferraris.

Schier unglaublich ist die Geschichte des Schatzes. Niemals wurde er bestohlen; nie ist irgendetwas im Feuer verbrannt. Im Zweiten Weltkrieg war es besonders knapp: Die „Deputation der Kapelle des San Gennaro“, jenes zehnköpfige Laienkomitee, das im Auftrag der Bürgerschaft den frommen Reichtum verwaltet, hatte ihn aus Sicherheitsgründen ins Kloster Montecassino geschafft. Genau dieses ging 1944 im Bombenhagel der Alliierten vollständig unter. Doch San Gennaro hatte dafür gesorgt, dass man seinen Besitz in buchstäblich letzter Minute in den Vatikan gefahren hatte.

Bis 16. Februar kommen nun Römer und Rom-Touristen in den Genuss der Preziosen; Ausstellungsort ist der Palazzo Sciarra in der Stadtmitte. Die Stadt am Vesuv wiederum nützt die Zeit, die Schatzkammer am Dom zu renovieren, zu vergrößern – um danach ihren Gästen und ihren von Chaos und Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Armut geplagten Bürgern „das andere Neapel“ zu zeigen. Das vollständig intakte. Das der reinen Schönheit. Das Wunder als solches. Paul Kreiner

Infos: www.mostrasangennaroroma.it

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