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Kultur: Der Rhythmus, wo man mit muss

Dass Neukölln nicht am Rhein liegt, dürfte jetzt bekannt sein. Doch vom Wedding, den man bislang oft im selben Atemzug nannte, will keiner mehr was wissen.

Dass Neukölln nicht am Rhein liegt, dürfte jetzt bekannt sein. Doch vom Wedding, den man bislang oft im selben Atemzug nannte, will keiner mehr was wissen. Dabei läuft die Soap „Gutes Wedding Schlechtes Wedding“ (GWSW) im Primetime-Theater nun schon zwei Jahre. Und am Nettelbeckplatz, zwischen Humboldthain und Scherings Firmensitz, betreibt Maurice ein „Kommunikationskontor“.

Hier wird „ausländischen und orthografisch benachteiligten Mitbürgern“ beim Schriftverkehr mit Ämtern geholfen. Allerdings muss Maurice schon am Beginn von Martin Zschokkes Roman vermelden: „Wieder nichts zu tun gehabt.“ Also sitzt er da und macht sich seine Gedanken. Alles Mögliche fällt ihm ein – und zu allem das Gegenteil. Er meditiert über Gentechnik, Goethe, den Jugoslawien-Krieg, Mitterand und den Klang eines Cellos im Nachbarhaus. Irgendwann kommt er zum Schluss, dass nicht das Außergewöhnliche, die Rhythmusstörung, sondern das Gewöhnliche, der Rhythmus selbst, spektakulär ist. Ein Wedding-Roman im strengen Sinne ist „Maurice mit Huhn“ (Ammann) nicht. Aber warum sich das Quartier für melancholisch-philosophisches Nachdenken besonders eignet, könnte man den Schweizer Zschokke, der seit langem in Wedding lebt, am 12.5. (20 Uhr) im Literaturhaus fragen (Fasanenstr. 23, Charlottenburg).

Eine andere Terra incognita, wenngleich wegen EU und Nato in aller Munde, ist Belgien. Der flämische Landesteil orientiert sich traditionell an den Niederlanden. Wie Peter Verhelst , der in Brügge geboren ist und in Amsterdam lebt. In Belgien besitzt der Lyriker, Romancier und Dramatiker Kultstatus. Bei uns sind bislang nur die grotesk-fantastischen Romane „Das Muskelalphabet“ und „Der Farbenfänger“ erschienen. Heute ist Verhelst in der Literaturwerkstatt (Knaackstr. 97, Prenzl. Berg) zu Gast (20 Uhr), wo er mit Arjen Duinker, Barbara Köhler und Thomas Kunst liest.

Als unbekannten Ort kann man allerdings selbst Deutschland erfahren. Etwa mit Wolfgang Büscher , der am 12.5. (19 Uhr 30) in der Lichterfelder Buchhandlung (Oberhofer Weg 15) von seiner so faszinierenden wie düsteren Wanderschaft erzählt („Deutschland. Eine Reise“, Rowohlt Berlin). Düster ist sie, weil Büschers 3600 Kilometer langer Weg an der Grenze entlang durch Dörfer wie Twist im Emsland, den bayrischen Wallfahrtsort Altötting oder die Pforzheimer Fußgängerzone in ein deutsches Geschichtspanorama des 20. Jahrhunderts mündet. Das ist nun mal nicht nur heiter.

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