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Kultur: Der schöne Geist des Geldes

Eine Ausstellung in Florenz zeigt: Schuldbewusste Banker ermöglichten die Blüte der Renaissance

Klein ist er, der Fiorino d'oro, der Goldflorin, den die Florentiner im Jahr 1252 einführten. Klein wie heutzutage ein Fünf- Cent-Stück – aber damals 20 Soldi wert oder eine Lira, eine Menge Geld. Oder besser: eine Menge „Wert“. Denn darum ging es in dieser Zeit der Entstehung des modernen Finanzkapitalismus: wie man Wert aufbewahren kann, unabhängig von Ort und Zeit, um den Fernhandel zu finanzieren, von dem Florenz als Zentrum der Textil- und Luxusgüterproduktion extrem abhängig war.

Gülden glänzt ein solcher Florin am Eingang der Ausstellung „Geld und Schönheit. Bankiers, Botticelli und das Fegefeuer der Eitelkeiten“, die die Florentiner Institution Palazzo Strozzi soeben eröffnet hat. 3,53 Gramm reines Edelmetall, in ganz Europa begehrt und in Zahlung genommen. Florenz entwickelte sich zum Finanzzentrum des Abendlandes, und zwar – da setzt die Ausstellung an – bereits bevor die Stadt zum Zentrum jener kulturellen Entwicklung reifte, die als Renaissance den europäischen Raum grundlegend verändern sollte.

Beide Entwicklungsstränge sind jedoch aufs Engste miteinander verknüpft. Nicht allein, dass sie erst beinahe und dann gänzlich parallel abliefen; vielmehr, und das will die von der Kunsthistorikern Ludovica Sebregondi („Die Ikonografie von Girolamo Savonarola“) und dem Schriftsteller Tim Parks („Das Geld der Medici“) erarbeitete Ausstellung dokumentieren, waren es Neuartigkeit und Problematik des Finanzgeschäfts, die ein kulturelles Gegengewicht erforderten und entsprechenden finanziellen Aufwand rechtfertigten.

Um Rechtfertigung war es den Kaufmannsbankiers zu tun – Rechtfertigung für das der Bibel nach sündhafte Geldverdienen nicht mit schweißbeladener Arbeit, sondern eben durch Geldgeschäfte. Cosimo de' Medici ersuchte um Audienz bei seinem größten Kunden, dem Papst, um zu fragen, wie er sich die Gnade Gottes erhalten und gleichwohl seine zeitlichen Güter genießen könne. Des Papstes Antwort: Er möge 10 000 Florin für die Renovierung des Markusklosters in Florenz spendieren.

Gesagt, getan, und am Ende betrug die Spendensumme mehr als das Vierfache. Die Ironie des Schicksals will es, dass Jahre später ausgerechnet Bruder Girolamo Savonarola zum Prior des strengen Dominikanerklosters aufstieg und dort seinen Predigt-Kreuzzug gegen den Luxus der Reichen begann.

Dem theologischen Dilemma, in das die Florentiner Kaufleute geraten waren, ausgedrückt im Wucherverbot von Bibel und Kirche, begegneten sie mit immer aufwendigeren Spenden für Kirchen und Klöster, Hospitäler und die zahlreichen wohltätigen Brüderschaften, in denen sie praktischerweise gleich selbst den Vorsitz übernahmen. Beliebt war die Bruderschaft der Heiligen Drei Könige, weil die biblischen Magier bekanntlich recht prunkvoll dahergekommen waren und sich als ideale Projektionsfiguren für den eigenen Reichtum anboten. Die breitformatige Tafel, die die Medici ihrer Bruderschaft spendierten und 1470 von Cosimo Rosselli malen ließen, zeigt die „Anbetung“ ganz knapp rechts, zur Hauptsache aber identifizierbare Porträts, unter denen Mitglieder der verzweigten Spenderfamilie herausragen – und ihren sozialen Status in kostbaren Gewändern zur Schau stellen.

Die nämlich waren, so frei das Münzgeld auch zirkulieren mochte, durchaus nicht jedermann gestattet, vielmehr wachten ausgeklügelte Regeln über den streng hierarchisch gestaffelten Konsum und damit über eine soziale Pyramide, die mehr und mehr von neuartiger, mit Geld erkaufter Durchlässigkeit bedroht war. Über die Ewigkeit der gesellschaftlichen Hierarchie aber wachte die Kirche mit all ihren Mitteln.

Durch die geniale Erfindung des „Wechsels“, des zumeist auf 60 oder 90 Tage limitierten Papierdokuments zur Aus- und letztlich Rückzahlung fremder Währungen zum Zwecke des Warenverkehrs, ließ sich das Leih- und Zinsverbot umgehen. Mochten Theologen auch jede neue Transaktion auf ihren Einklang mit den göttlichen Geboten prüfen, so erwies sich die Verbindung von Wohlstandsmehrung und Beteiligung der Kirche in Gestalt von gestifteten Kapellen, Kunstwerken und Ausstattungen als deutlich wirkungsmächtiger. Beide Seiten profitierten. Die Fülle der Tafelwerke, Bronzen und Bildteppiche, die die Ausstellung im Palazzo Strozzi, dem prachtvollen Stammsitz einer Bankiersfamilie, vorführt, zeigt die Durchdringung der geistigen Sphären mit den Wertvorstellungen der Geldleute. Die Banker prägen der Florentiner Stadtgesellschaft ihre Werte auf, wie sie sich zugleich in einer Sphäre verfeinerten Geschmacks und erlesener Bildung absondern und dabei die Führung ihrer Banken vernachlässigen.

Die elitäre Kultur, in der die Renaissance als Beschäftigung mit der Antike und ihrer Wiederbelebung heranwächst, kommt in der Ausstellung allerdings zu kurz. Notwendigerweise wohl, weil Ausflüge in Philosophie, aber auch Astronomie und Astrologie – so die präzise Anweisung zum Baubeginn eben jenes Palazzo Strozzi am 6. August 1489 unter dem Aszendenten Löwe – auf andere Fährten locken müssten. Aby Warburg, der das Weiterleben heidnischer Mythologien in der Renaissance untersucht hat, ist eindeutig nicht die geistige Leitfigur dieser mit handfesten Thesen beeindruckenden Ausstellung.

Sie erreicht ihren Höhepunkt mit der Engführung auf Person und Werk des Malers Sandro Botticelli (1445 - 1510), der unter der Regentschaft des Medici-Oberhaupts Lorenzo des Prächtigen zahllose Aufträge für Altartafeln ausführt und mit seinen inniglichen Madonnen das Schönheitsideal seiner Zeit prägt. Botticelli gerät unter den Einfluss des Bußpredigers Savonarola, der nach der republikanischen Vertreibung der Medici 1494 rapide an Einfluss gewinnt. Der asketische Mönch wettert gegen Luxus und Verschwendung und predigt nach Art der biblia pauperum fürs Volk, das längst unter säkularer Teuerung leidet und die Welt der Finanzleute nicht mehr versteht.

Die Aktualität der Ausstellung muss im staatsschuldgeschüttelten Italien nicht hervorgehoben werden. Aber schiefe Vergleiche sind nicht vonnöten. Denn was die hochkarätigen und mit Kennerschaft ausgesuchten Objekte vermitteln, ist, weit über den materiellen Urgrund kultureller Prozesse hinaus, eben doch das Staunen über den Schönheitssinn, der all diese Kunstwerke hervorgebracht hat. Botticellis ambivalentes Werk „Die Verleumdung des Apelles“ – ein Sujet aus Ovids weithin gelesenen „Metamorphosen“ – ist von einer eigentümlich gefrorenen Bewegung. Kaum sind all die gelehrten Anspielungen zu verstehen. Ein Gemälde allein für Kenner.

Savonarola hätte das Bild verdammt. Der Mönch, dessen mitreißende Predigten nur Tage später gedruckt verbreitet wurden und der auch darum als ein Vorläufer protestantischer Wortpropaganda gelten darf, zog gegen die elitäre Kultur der Oberschicht zu Felde. Der Aufruf zur gottgefälligen Lebensführung begann, die Hierarchie der Stadt zu untergraben. Die beiden Fegefeuer, die Savonarola jeweils am letzten Karnevalstag der Jahre 1497 und 1498 auf dem Hauptplatz inszenierte und der sorgsam ausgewählte und aufgeschichtete Luxusgüter den züngelnden Flammen zum Opfer fielen – „eitler, unwürdiger Tand“, dessen materiellen Wert die florentinischen Buchhalter mit 20 000 Goldflorin bezifferten –, waren Höhepunkt und Ende von Savonarolas Einfluss. Nur drei Monate später endete er selbst gewaltsam auf eben jener Piazza della Signoria – eben noch bejubelt, nun verhasst und verstoßen.

Und doch nicht vergessen. Am Ende war Florenz um 1500 für eine Weile moralischer als im ganzen Jahrhundert zuvor – und zugleich so reich an Kunst, dass der Mythos der sich selbst erschaffenden Renaissance entstehen konnte, der bis heute inbrünstig erzählt wird. Die Ausstellung des Palazzo Strozzi stellt dieses Trugbild auf die Füße, so anschaulich und dennoch so anmutig, dass es eine Freude ist und eine lehrreiche dazu.

Florenz, Palazzo Strozzi, bis 22. Januar 2012, täglich 9 bis 20 Uhr, Eintritt 10 €. Katalog auf Englisch oder Italienisch, 34 €. Mehr Infos unter www.palazzostrozzi.org

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