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Kultur: Der schwierige Max Weber

SOZIOLOGIE

Seit zwanzig Jahren hat sich Wilhem Hennis ganz dem Werk des Soziologen Max Weber verschrieben. Des Soziologen? Genau dagegen polemisiert Hennis, der emeritierte Freiburger Politologe, der unlängst seinen 80. Geburtstag feiern konnte. Seine jüngste Aufsatzsammlung ist denn auch bewusst „Max Weber und Thukydides“ überschrieben, mit dem Namen des athenischen Historikers, von dessen Beschreibung des Peloponnesischen Krieges alle Politikwissenschaft ausgeht (Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2003. 202 S., br. 29 €). Weber ist für Hennis einer der letzten Vertreter jener „hellenistischen Geisteskultur“, dem die Denker der Antike und ihre Fragestellungen noch unmittelbar gewärtig waren. Solche Bezüge sind der soziologischen Weber-Exegese fremd; Hennis klagt sie, gerne auch polemisch, immer wieder ein. Die Soziologie, mit der Hennis’ Freiburger Kollege – Weber trat seine erste Professur bekanntlich 1894 als 30-Jähriger in Freiburg an – identifiziert wird, sei Webers Sache nicht gewesen, er blieb bis zu seinem frühen Tod 1920 Vertreter des Fachs Nationalökonomie. Die Polemik, die Hennis geschliffen wie kaum ein zweiter zu führen weiß, richtete sich von Anbeginn gegen das gewaltige Unternehmen der Max Weber Gesamtausgabe (MWG), deren Sinn und Notwendigkeit ihm nicht recht einleuchten wollte – wohl aber die Verbreitung Weberscher Texte, an der es unzulänglichlicher und überteuerter Ausgaben halber stets mangelte. „Die uns überlieferten Texte Webers boten keinen Anlass, eine Edition vom Charakter der MWG in Angriff zu nehmen“, so sein knappes, um nicht zu sagen vernichtendes Urteil. Die MWG als Ausdruck „uralter Ordinarienherrschaft“, das aus der Feder des hochrespektablen em. Ordinarius! Das alles aber sind keine Mäkeleien eines Außenseiters, sondern zielt im „Kampf um Weber“ gegen dessen jahrzehntelange Interpreten auf den Kern der „Fragestellung“ Webers, wie ein früherer, viel zitierter Aufsatz überschrieben ist. Diese Fragestellung – nach der Lebensführung des Menschen und seiner Zukunft in einer rationalisierten, bürokratisierten Welt – mahnt Hennis an, überhört von den in ihrem Fach bequem eingerichteten Soziologen.

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