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Kultur: Der Singmeister

Ein Berliner Festkonzert für Carl Friedrich Zelter

Wie eine grosse, geöffnete Muschel wirkte die Halb-Rotunde der Gethsemanekirche, die dem Chor den Rahmen für den Auftritt gab. Davor die Gipsbüste des Mannes, dem dieser Abend galt, vielleicht ein bisschen zu idealistisch blass für den Charakter, der von ihm überliefert ist: ein Maurermeister und Kunstliebhaber, berlinisch handfest, begabt mit gelegentlich rauem Mutterwitz, der eigentliche Vater der Sing-Akademie, Carl Friedrich Zelter. Doch man darf vermuten, dass dieses Festkonzert zur 250. Wiederkehr seines Geburtstags am 11. Dezember ihm gefallen hätte. Denn hier feierten Enthusiasmus und Engagement, ein glänzend singender Chor und die Bereitschaft zu bürgerschaftlicher Förderung tatsächlich ein Fest.

Natürlich hätte ihm auch das Programm zugesagt. Denn es war aus dem Geist dieses Musikpädagogen, Bildungs- praktikers, Sammlers und Bewahrers, Komponisten und Bürgers gemacht: zwei (Wieder-)Erst-Aufführungen von Carl Philipp Emanuel Bach, zuletzt zu hören, vermutlich, zu Lebzeiten des Jubilars, eine Kantate aus Bachs Weihnachtsoratorium, Mendelssohn Bartholdy und Zelter selbst. Qua Klangerlebnis und Gemütserhebung rief es diese erstaunliche Gestalt an der Wende zum 19.Jahrhundert herauf, auf die so viel zurückgeht: Chöre und Orchester der Berliner Universitäten, das Institut für Kirchenmusik Berlin – und mit den von der Sing-Akademie ausgehenden Chören und Vereinen ein gut Teil bürgerlicher Musikkultur in Deutschland.

Nicht zuletzt spiegelte sich in diesem Konzert der Gedanke der Wiederentdeckung des Mannes und seiner Epoche. Es ist wahr, dass von dieser Wendezeit, die gerade in Berlin ihren Schauplatz hatte, etwas Faszinierendes ausgeht. Ist der Grund das vielberedete Bedürfnis nach einer neuen Bürgerlichkeit? Oder die einfache Ermutigung, die aus dem Blick auf die Humboldts, Schleiermachers und Schinkels erwächst? Dazu gehört auch Zelter: „Man fängt wieder an, ans Leben zu glauben“, schreibt Goethe über seinen Brieffreund, „wenn man solche Menschen sieht, die so tüchtig und redlich wirken, gegen so viele, die nur wie das Rohr vom Winde hin- und hergeweht werden.“ Bausteine für eine solche Renaissance gibt es. Der Abend in der Gethsemanekirche war einer. Weil Kai Uwe Jirka, seit 2006 Leiter der Singakademie, mit seinem leidenschaftlichen Dirigieren den Chor über sich hinauswachsen liess. Auch weil dort ein Sammelband vorgestellt wurde, herausgegeben von Christian Filip, in dem 16 Autoren dem Wesen und Wirken des „Singemeisters“ nachspüren. Und nicht zuletzt dank der Unterstützer, die diesen Abend möglich machten. Wobei an erster Stelle die Villa Grisebach zu nennen ist: Sie hat Zelter und seine Zeit als eine Herausforderung für Berlin und unsere Zeit entdeckt. Rdh.

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