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Kultur: Der Sir als Regisseur

Vor einem Vierteljahrhundert, 1974 war das, spielte er in Otto Premingers Film "Branningan" den Commander Swann.Er durfte sich Sir Charles nennen, tat es aber nur, wenn er Theaterkarten oder einen Tisch in einem exklusiven Restaurant bestellte.

Vor einem Vierteljahrhundert, 1974 war das, spielte er in Otto Premingers Film "Branningan" den Commander Swann.Er durfte sich Sir Charles nennen, tat es aber nur, wenn er Theaterkarten oder einen Tisch in einem exklusiven Restaurant bestellte.Zwei Jahre später durfte sich der Darsteller von Sir Charles Sir Richard nennen.John Gielgud ist zum Ritter geschlagen worden wie Laurence Olivier; warum nicht auch Richard Attenborough? Er entstammt immerhin einer alten Offiziersfamilie, ist in Cambridge geboren, sein Vater war Universitätsrektor.Dennoch scheint es keine familiären Widerstände gegeben zu haben, als es Richard Samuel danach drängte, das, was seine Vorväter waren, wenigstens auf der Bühne und im Kino zu mimen.

Immerhin fing er es standesgemäß, das heißt akademisch an, mit einem Stipendium der Royal Academy of Dramatic Art, der Brutstätte britischer (Selbst-)Darstellung auf dem Theater.Und dann hat er, kaum ernstlich unterbrochen durch Militär- und Kriegszeit, auf der Bühne und bald auch im Film eine von jenen Karrieren gemacht, die man beachtlich nennt, weil sie ohne Fehl und Tadel einen Erfolg an den anderen reihen - ohne jemals genial sein zu müssen.Gielgud und Olivier konnten Genies darstellen, sie sahen von Anfang an wie Genies aus.Attenborough, körperlich kleiner und kompakter, mußte sich immer Mühe geben.

Bei den Profis der Filmregie war er deshalb stets gern gesehen, bei (Sir) David Lean, John Sturges, Robert Aldrich, Otto Preminger und zuletzt noch bei Steven Spielberg ("Jurassic Park"), bei Regisseuren, von denen man Filme ohne Fehl und Tadel erwartet und auch bekommt.In fast 70 Filmrollen seit 1942 ist Richard Attenborough aufgetreten, nicht sofort als Commander und Salonlöwe.Längere Zeit ist er festgelegt auf den labilen Typ, ehe er zum Gentleman-Gangster ("Die Herren Einbrecher geben sich die Ehre", 1960), Offizier ("Gesprengte Ketten", 1963), fanatischen arabischen Fundi ("Unternehmen Rosebud", 1974) und Geheimpolizisten ("Der menschliche Faktor", 1979) mutieren kann.

Am besten ist er als Snob, der seine Hände demonstrativ in den Hosentaschen vergräbt, so daß nur die Fingerspitzen darin Platz finden.Er kann Sakkos tragen und Mäntel, Trenchcoats und Overalls, am besten aber stehen ihm Strickwesten und Clubjacken, und wenn er auch Pfeife raucht, ist die Gemütlichkeit des Raubtiers komplett.Dessen Zähne er zeigt, wenn er lächelt und lacht.

Während man sich an den Schauspieler erinnern muß, denn er ist nicht einfach nur da wie Bogart oder Wayne, Gabin oder Mastroianni, fällt einem der Regisseur Attenborough sofort ein, mindestens seit "Gandhi" (1982), mit mehr als 50 Millionen Mark produziert, über drei Stunden lang und mit acht Oscars bedacht.Acht auf einen Streich.

Er hatte es von Anfang an darauf angelegt, indem er als Schauspieler auch Filme produzierte.Und dann hat er als Regisseur Filme gemacht, die ziemlich genauso aussehen wie die Filme der Regisseure, die ihn als Schauspieler schätzten."Die Brücke von Arnheim" (1976) ist als Kriegsfilm-Spektakel mit einem Dutzend Weltstars so monströs wie "A Chorus Line" (1985) als Musical und "Cry Freedom" (1987) als Demonstration gegen die Apartheid.Und was kaum noch jemand von ihm erwartet hätte, gelang ihm vor vier Jahren mit "Shadowlands", Anthony Hopkins und Debra Winger: ein poetisches Melodram.

Während er als Schauspieler gekleckert hat, liebte er es, als Filmregisseur zu klotzen.Alle paar Jahre ein Film, aber nur einmal war der (ehemalige) Vorsitzende des British Film Institute und der Royal Academy of Dramatic Art wirklich genial und zu jedem Risiko bereit.1968, als er mit der Filmregie anfing, hatte er sich mit der Verfilmung von Joan Littlewoods satirischer Soldatenrevue "Oh! What a Lovely War", die er mit viel Fingerspitzengefühl für die Verwandtschaft von varietéhaftem Jahrmarktsrummel und kabarettistischem Kino zuwege gebracht hatte, sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik in die Nesseln gesetzt.

Danach hat er es vorgezogen, die Fingerspitze in den Taschen zu lassen.

W.JANSEN (PETER)

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