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Kultur: Der Sopran schweigt

KLASSIK

Franz Schubert, der Wiener Sängerknabe, in damaliger Terminologie: Kapellknabe der Wiener Hofkapelle, war eben in den Stimmbruch gekommen, als er seine erste Sinfonie schrieb. 15 Jahre später, im Winter seines kurzen Lebens, entstand die letzte Messe. Was sagt eine Kombination des Frühwerkes mit dem liturgischen Schwanengesang aus, wie sie Nikolaus Harnoncourt jetzt bei den Berliner Philharmonikern erprobt?

Obwohl die D-Dur-Sinfonie das Genie im Keim und die Es-Dur-Messe den Hang Schuberts zur Eigenwilligkeit im Rahmen der Kirchenmusik bis zur Modifikation des Textes zeigt, verbirgt sich die Individualität hinter Konventionen. Tradition gibt Halt, während sich in der „Winterreise“ der Abgrund der Depression auftut. Heroisch wie Beethoven, mozartisch in der Thematik, entbehrt das Jugendstück nicht vereinzelter Überraschungen. Der Originalklangpionier Harnoncourt realisiert sein zweites Schubertkonzert der philharmonischen Saison, das gegen das erste etwas abfällt, mit zahlreicher, ungleich disponierter Besetzung. Der Rundfunkchor aber singt sich in die Herzen: „Gloria in excelsis.“ Das Credo ein Bekenntnis aus lyrischer Selbstverständlichkeit, eine zauberhafte Fagottfigur im Sanctus, die Fugen eher nach Schema. Das „Et incarnatus“, zu dem sich die Komponisten immer Besonderes einfallen lassen, fordert die Vokalsolisten heraus. Den Traum von einem ersten Tenor à la Schreier erfüllt Jonas Kaufmann noch nicht. Dennoch: Harnoncourts Schubert-Abenteuer hören niemals auf.

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