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Kultur: Der Syntax auf der Spur - Marijke van Warmerdam in der Berliner Galerie Barbara Weiss

In der Ecke steht ein hellgrüner Wäschekorb aus Plastik, bis oben gefüllt mit Pappschildern, auf denen in verschiedenen Sprachen immer wieder ein einziges Wort steht: "und". Das ist eine einfache Konjunktion, die Satzteile verbindet, Syntax schafft und die Organisation des Vielen in der Kohärenz des Einen übernimmt.

In der Ecke steht ein hellgrüner Wäschekorb aus Plastik, bis oben gefüllt mit Pappschildern, auf denen in verschiedenen Sprachen immer wieder ein einziges Wort steht: "und". Das ist eine einfache Konjunktion, die Satzteile verbindet, Syntax schafft und die Organisation des Vielen in der Kohärenz des Einen übernimmt. Doch der Titel dieser Installation lautet "Plenty" (12 000 Mark), und so verwandeln sich die Bausteine der Sprache in ein wahres Füllhorn der Grammatologie - jedes "und" ein Versprechen und Verweis auf den Wunsch nach mehr.

Dieses Zerlegen der Aufschreibesysteme ist charakteristisch für die Arbeiten, die Marijke van Warmerdam zurzeit in der Galerie Barbara Weiss präsentiert: Reduktion auf das Essenzielle und Transparenz von Struktur, um dennoch die Bedeutungsebenen offen zu halten. Sinn entsteht im Auge des Betrachters.

Vor der gegenüberliegenden Wand hat sie eine Apparatur ähnlich wie bei der letzten Documenta aufgebaut, die auf eine kleine transparente Scheibe einen Film projiziert. In einen Kasten aus Plexiglas verpackt, erscheint diese Projektionsmaschine nicht nur als Medium technischer Bilderzeugung, sondern als eigenständiges Objekt im Raum. Im Gegensatz zur black box des Videorecorders argumentiert sie mit mechanischer Präzision: Statische Bilder von Bewegung werden zu sichtbar bewegten Bildern. Allein die Geschwindigkeit suggeriert das zeitliche Kontinuum, wo an sich nur eine Reihe von Fotogrammen ist. Tatsächlich hat das Kleinformat des Stummfilms mehr mit animierten Bildern zu tun als mit den Überwältigungsstrategien in Cinemascope. Der kinematografische "Realitätseffekt" mit seiner perfekten Simulation von Wirklichkeit hat bei dieser Abstraktion jedenfalls kaum eine Chance.

"Twine" (Auflage 5, 13 500 Mark) kennt überdies keine Narration, sondern nur den endlos sich wiederholenden Moment. Durch einen Loop, der die ewige Wiederkehr des Gleichen zelebriert, ohne Anfang und Ende preiszugeben, erscheint alles vertraut und doch immer wieder neu: Eine Frau geht durch eine Autowaschanlage, schiebt mit ihren Armen die blauen Lamellen, die normalerweise das Chrom der Karosserien auf Hochglanz polieren, zur Seite, taucht auf und verschwindet wieder im Blau. Illuminiert von hellem Sonnenlicht, wird das Szenario zu einem abstrakten Spiel aus Licht und Schatten, Schwarzbild und Belichtung. Denn auch hier ist es die Grammatik des Films, die sich mit der Zeit in den Vordergrund drängt. Die Frau bahnt sich ihren Weg, die blauen Stoffbahnen ziehen am Zuschauer vorbei: ein Erscheinen und Verschwinden wie das im Objektiv des Projektors gebündelte Licht mit seiner codierten Bedeutung. Das apparative Erscheinen des filmischen Bildes präsentiert sich hier als reine Evidenz. Doch seine Faszination bleibt ungebrochen, und das ist schön.

Der andere Film, der auf eine frei im Raum stehende Leinwand projiziert wird, heißt "Blondine (Blonde)" (Auflage 3, 31 000 Mark) und zeigt tatsächlich eine blonde Frau, die sich endlos die Haare föhnt. Im Amsterdamer Flughafen ist eine Projektion van Warmerdams zu sehen, die einen Mann beim Duschen zeigt. Doch diese Aufzeichnung aus dem Bad in ihrer profanen Alltäglichkeit lebt von der kontextuellen Verschiebung, dem Einbruch des Intimen in den öffentlichen Transitraum. Im Weiß der Galerie bleibt die Windmaschine im Kleinformat eine eher haarige Angelegenheit, die noch auf ihren Einsatz in weniger domestizierter Umgebung zu warten scheint.

Aber dann gibt es noch einen violetten Walkman auf einer rosa Marmorplatte, aus dessen Lautsprechern Kratzgeräusche dringen - Scratching, das eine Bach-Sonate übertönt. Dieses "Solo" für Spachtel und Klavier (Auflage 3, 13 000 Mark) steht ganz für sich, passt in seinem pastellfarbenen Haushalts-Chic aber dennoch perfekt zu dem Rest.Abstrakte Sound Recordings, Text und Film, das eint diese so disparaten Objekte zu einem Ensemble, das die mediale Durchdringung profaner Alltagswelten minimalistisch dekonstruiert. Nur das kitschige Großfoto mit Meer, Schwänen und Wolken "There you are" (Auflage 5, 23 000 Mark) - Schwanensee als surreale Fototapete - wirkt ein wenig seltsam. Aber vielleicht ist der disneyhafte Touch dieser himmelblauen Metamorphose ja auch einfach die kalkulierte Bruchstelle in der Inszenierung.Galerie Barbara Weiss, Potsdamer Straße 93, bis 18. Dezember; Dienstag bis Freitag 12-18 Uhr, Sonnabend 11-16 Uhr.

Vanessa Müller

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