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Kultur: Der Trickser

Künstler und Zauberer: Peter Miller stellt erstmals in der Galerie Crone aus.

Kunst oder Zauberei? Vor dieser Wahl stand Peter Miller, nachdem er in seiner Jugend einige Jahre als Zauberer aufgetreten war. Er entschied sich für die Kunst, weil das Publikum, wie er feststellte, in der Zauberei keine Illusion akzeptierte. Die Zuschauer wollten stets den Trick durchschauen. Dennoch hat Peter Miller die Magie nie ganz aufgegeben. „Sleight“ heißt seine erste Galerieausstellung bei Crone – das englische Wort bedeutet soviel wie Zaubertrick, Fingerfertigkeit, Kunststück. Vordergründig dreht sich alles um das Medium Fotografie. In ihrem Kern aber handelt die Ausstellung von Licht, Zeit und Unsichtbarkeit.

Zum Auftakt stimmen großformatige Kontaktabzüge von roten Vorhängen die Besucher auf die Vorstellung ein. Peter Miller hat den Stoff direkt auf das Fotopapier gelegt und dieses belichtet (4500 Euro). Weil den Aufnahmen jede Tiefenschärfe fehlt, birgt der Vorhang die ganze Ambivalenz von „Sleight“ zwischen Realität und Gaukelei.

Die Wahrheit entsteht bei Miller im Geist. Auf einem Sockel in der Mitte des Raumes hat er zwei volle Gläser Wasser aufeinandergestülpt. Angeblich handelt es sich um heiliges Wasser aus Kalifornien, von einem Priester geweiht und von Miller destilliert. Der Künstler überlässt dem Publikum, ob es die Geschichte glaubt oder nicht. Das gedoppelte Glas ist real und eindrucksvoll genug. Miller, 1978 in Vermont geboren, hat in Chicago studiert und kam mit einem Fulbright-Stipendium nach Europa. Drei Jahre lebte er in Wien, fasziniert von den österreichischen Avantgarde-Filmern. Inzwischen lehrt er als Assistent des Videokünstlers Phil Collins an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Die deutsche Sprache beherrscht der Amerikaner so einwandfrei, dass er ihre Doppelbödigkeit ausloten kann. Die exakte Unterscheidung zwischen Ghost und Spirit trifft aber nur das Englische.

Ein weißer Geist aus gehärtetem Fotopapier steht in einer Ecke – ein „Spirit“, der an den exzentrischen Einsatz der Fotografie in der Vergangenheit erinnert. Geistergläubige versuchten mit der Kamera die Erscheinung verstorbener Seelen zu dokumentieren. Das weiße Gespenst hockt lapidar auf dem Boden, doch wenn man unter die Hülle schaut, ist es hohl. „Ghost“ heißt hingegen eine Langzeitfotografie, die beobachtet, wie Wasser in ein Glas gegossen wird. In der Bewegung verwischen die Konturen der Materie, die Betrachter können nur das Vage wahrnehmen. Die Wahrheit liegt bei Miller im Ungefähren. So enthalten die Arbeiten Täuschung und Enttäuschung, Schöpfung und Erschöpfung. Das Licht, die Quelle der Fotografie, löscht sich selbst in der Arbeit „Candles“. Miller hat zwei Kerzen auf den Kopf gestellt und abgebrannt. Die rußig verflossenen Wachskörper liegen nun wie aufgebahrt auf ihrem Sockel, aufgezehrt über Stunden.

Neben dem Licht ist die Zeit das wichtigste Gestaltungselement der Fotografie. Der Künstler dreht den Lehrsatz vom entscheidenden Augenblick um. In Köln fotografierte er zwölf Uhren auf die Minute genau zu dem Zeitpunkt, an dem sie stehen geblieben sind. Für den Augenblick der Belichtung stimmt ihre individuelle Zeit. Die kollektive Zeit aber eilt weiter.

Leichthändig pendelt „Sleight“ zwischen Spiritismus und Realismus, zwischen Sichtbarem und Unfassbarem. Vergnüglich und weise lädt Peter Miller zur philosophischen Trickserei mit Wahrheit und Wunder. Simone Reber

Galerie Crone, Rudi-Dutschke-Str.26; bis bis 22. 12., Di –Sa 11–18 Uhr

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