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Kultur: Der U-Musiker

„Baker Street“-Sänger Gerry Rafferty ist tot

Sanft und säuselnd beginnt der Song, mit Tamburingeraschel und Bongogetrommel, dann setzt das vielleicht bekannteste Saxofonsolo der Rockgeschichte ein. Doch was so weichgespült klingt, führt buchstäblich abwärts, hinein in eine Welt unter den Pflastersteinen und in menschliche Dunkelheit. Gerry Raffertys größter Hit „Baker Street“ handelt vom gleichnamigen U-Bahnhof in London, in dem der Sänger eine Zeit lang als Straßenmusiker für Kleingeld gespielt hatte. „You’ll drink the night away / And forget about everything“, singt er. Die Nacht wegtrinken und alles vergessen. Denn die Stadt ist gnadenlos: „It’s got so many people but it’s got no soul.“ So viele Menschen, aber keine Seele. „Baker Street“, 1978 veröffentlicht, verkaufte sich millionenfach, das Album „City to City“ eroberte den ersten Platz der US-Charts. Die Tantiemen brachten Rafferty bis zuletzt jährlich 80 000 Pfund ein. Glücklich geworden ist er trotzdem nicht.

Gerry Rafferty, 1947 in der schottischen Stadt Paisley geboren, kam aus kaputten Verhältnissen. Seine Mutter versuchte ihn vor Schlägen zu schützen, wenn der Vater getrunken hatte. Und der Vater, ein Bergarbeiter, trank oft. Die Musik wurde für den Sohn zum Fluchtweg. Er arbeitete in einer Metzgerei und beim Finanzamt und trat an Wochenenden mit Beat-Kapellen in Tanzschuppen auf. Mit den Humblebums, einer Folkrockband, brachte er zwei Alben heraus. Sie floppten, fanden aber das Gefallen des Radiomoderators John Peel, der mit den Humblebums Sessions für die BBC produzierte. Den Durchbruch schaffte Rafferty mit seiner nächsten Band Stealers Wheel, gegründet 1972 mit dem Jugendfreund Joe Egan. Sie sahen aus wie Hippies und schrieben Songs, die an die Harmonien der späten Beatles anknüpften. Ihr Top-Ten-Erfolg „Stuck in the Middle with you“ war ein übermütiger Abgesang auf eine scheiternde Freundschaft. Hohn und Spott, versetzt mit einem lässigen Handclap-Rhythmus. Quentin Tarantino nahm den Song später in den Soundtrack seines Films „Reservoir Dogs“.

Stealers Wheel trennten sich im Streit, Rafferty konnte sich erst nach juristischen Auseinandersetzungen auf seine Solokarriere konzentrieren. Auf „City to City“ folgten die Alben „Night Owl“ (1979) und „Snakes & Ladders“ (1980), Kritikerlob und ein paar mittlere Hits. Der Sänger wollte nicht auf US-Tour gehen und schlug Angebote aus, mit Paul McCartney oder Eric Clapton zu arbeiten. Er schrieb einen Song für den Film „Local Hero“ und produzierte das Proclaimers-Album „Letter from America“. Dann versackte er im Alkohol, zog nach Kalifornien, tauchte unter. Seine Ehefrau verließ ihn 1990. Rafferty randalierte auf Flughäfen, Taxifahrer weigerten sich, ihn mitzunehmen. Am Montag ist er in seinem Haus in der Grafschaft Dorset gestorben. Er wurde 63 Jahre alt. Christian Schröder

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