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Kultur: Der unsichtbare Gegner

FOTOGRAFIE

„Neben den Mündungen der Gewehre und Geschütze waren Tag für Tag die optischen Linsen auf das Kampfgelände gerichtet“, schrieb Ernst Jünger, „sie bewahrten als Instrumente des technischen Bewusstseins das Bild dieser verwüsteten Landschaft.“ Fotoapparate sehen, was die militärischen Apparate anrichten: Diese Arbeitsteilung hat die Kriegsfotografie zum Medium der Selbstvergewisserung einer Epoche werden lassen, deren rasanter Fortschritt sich vor allem in den Sekundenbruchteilen einer Momentaufnahme offenbarten. Wenn sich nun die Fotogeschichte in einer Doppelausgabe Bildern vom Krieg widmet (Jonas Verlag, Marburg 2002, Heft 85/86, 138 Seiten, 40 Euro), so wirkt das wie ein Nachruf: Es reicht nicht mehr aus, verwüstete Landschaften zu fotografieren, um den Zivilisationstakt sichtbar zu machen. Die Armut an Erklärungsbildern ist für Bernd Hüppauf Resultat einer „Unschärfe“, die den neuen Kriegen selbst eigen ist. Es sind Wahrnehmungskriege. Schon bei Verdun suchte der Gegner unsichtbar zu bleiben, doch erst jetzt ist er tatsächlich vom Schlachtfeld verschwunden.

Der Band zeichnet eine Entwicklung nach, an deren Ende hypermoderne Informationstechnologien den fotografischen Blick entwertet haben. Dabei hatte alles so ehrlich begonnen: Als deutsche Kolonialkrieger 1904 nach Deutsch-Südwestafrika entsandt wurden, um den Herero-Aufstand niederzuschlagen, bot ihnen ein Berliner Fotoatelier Postkartenmotive mit pittoresken Kriegsszenen an. Später machten Frontkämpfer solche Bilder immer öfter selbst. Nicht selten waren diese der einzige Beleg für die zahlreichen Zivilmassacker. Sei es in Serbien 1914 (wie Anton Holzer beschreibt) oder an der Ostfront ab 1941 (siehe Bernd Boll), reihenweise nahmen halboffizielle oder private Fotografen Hinrichtungen auf.

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