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Kultur: Der verschenkte Schatz

Wie ein Berliner Sammler das richtige Museum für seine niederländischen Meister sucht

Im dritten Stock des Schinkelhauses nahe dem Koppenplatz herrscht ein einziges Kommen und Gehen: Erst ist da der persönliche Assistent des Sammlers, der Herr Zeppelin, dann kommt der Kurator der Schweriner Kunstmuseen, um kurz vor der Abreise nach dem Zustand des demnächst in den Norden zu expedierenden Gemäldes zu sehen. Als Nächstes klingelt die Restauratorin mit dem kritischen Blick für das neue Bild, das an die Leerstelle des nach Schwerin entsandten Werkes treten soll. Nur auf die Männer der Kunstspedition wartet Christoph Müller bislang vergeblich.

Was sich hier, hinter einer gewöhnlichen Wohnungstür mit diversen Pappkartons und zwei Paar Schuhen, auftut, ist ein regelrechtes Privatmuseum. Die Betriebsamkeit gilt einer vorzüglichen Sammlung alter Niederländer, 139 Gemälden, über tausend Zeichnungen und Grafiken des sogenannten „Goldenen Zeitalters“, das unvermutet über den Dächern der Spandauer Vorstadt seinen Glanz verbreitet. Vor drei Jahren ist Christoph Müller aus Tübingen mit seinen Bildern des 17. und 18. Jahrhunderts eingezogen und führt noch immer jeden Besucher herum wie ein gerade beschenktes Kind. Übersprudelnd zieht er den Gast von einem Werk zum nächsten, erzählt ihm da von einem aufregenden Bietgefecht, dort von einer überraschenden Entdeckung unter der Firnissschicht. „Schauen Sie nur, dieses Blau bei Joost de Momper“, schwärmt er beim Landschaftsbild seines Lieblingsmalers. Und: „Hat mein de Vlieger nicht die Qualität eines Turner?“

Mein de Vlieger. Mit seiner beständig wachsenden Kollektion wahrt der 69-Jährige beste Berliner Traditionen. Vor dem Krieg lebten in der Hauptstadt über fünfzig, vornehmlich jüdische Sammler mit demselben Spezialgebiet, heute sind es gerade einmal fünf. Umso mehr sind diese wenigen von den Museen umworben, denn denen fehlt das Geld, um zu stopfen, was der Krieg an Löchern in die Bestände gerissen hat.

Christoph Müller hat den Mut zur Lücke, er springt ein. Der einstige Verleger hat es sich seit Verkauf seines Schwäbischen Tagblatts endgültig zur Lebensaufgabe gemacht. Nun von Berlin aus, was auf der Hand lag, verdiente er sich hier doch seine ersten journalistischen Sporen. Auch begegnete er hier seinem künftigen Partner, dem vor zwölf Jahren verstorbenen Regisseur und Bühnenbildner Axel Manthey, der damals mit Müller nach Tübingen ging, als die Familie diesen rief. Er sollte das konservative Blatt des Vaters in eine neue Zeit geleiten und machte es dann zur Irritation mancher Leser zur „Neckar-Prawda“. Nun ist Christoph Müller wieder da angelangt, wo er sich als 31-Jähriger befand: diesmal mit einem Kunstschatz im Gepäck.

Diesen ist der Schwabe, der sich nicht nur an der Schönheit seiner Bilder, sondern auch an den glückhaft günstigen Erwerbungen erfreuen kann, gerne bereit zu geben. Für seine Zeichnungen und Grafiken hat er seinen Wunschempfänger bereits gefunden, das Berliner Kupferstichkabinett. In diesem Sommer wurde die Übergabe vertraglich besiegelt, im kommenden Mai wird seine Schenkung in einer großen Ausstellung am Kulturforum zu sehen sein. Das Herzstück seiner Kollektion, die Gemälde, gehen allerdings an Berlin vorbei, obwohl Christoph Müller gerade die am liebsten hier gesehen hätte.

Vor allem Nachlässigkeit war es, die zu diesem Abzug führte. Das Desinteresse der Gemäldegalerie, die nicht einmal auf das Angebot eines Abschiedsgeschenks für den scheidenden Direktor Jan Kelch reagierte, da sie eher Großwerke als Kleinmeister präsentiert, erweist sich nun für Schwerin als Chance. Dort will man die elf fürstlichen Kinderzimmer im Schloss eigens räumen. Das wäre eine hochherrschaftliche Adresse für eine private Kollektion, die sowohl die südlichen wie die nördlichen Niederlande als auch sämtliche Genres abdeckt – vom Stillleben bis zum Landschaftsbild. Dem Sammler selbst wäre es ebenso recht, wenn sich seine Bilder in die Niederländer- Abteilung der Schweriner Museen integrierten. Allerdings nur in Kooperation mit dem jetzigen Kustos und erst nach Pensionierung der bis 2011 amtierenden Direktorin, das hat er zur Bedingung gemacht.

Wie so oft bei Privatsammlern spielen die persönlichen Beziehungen eine wichtige Rolle. Bestehen für Berlin also noch Chancen? Ob ihm auch Schloss Grunewald, Oranienburg oder Rheinsberg gefallen würden, wollte Generaldirektor Peter-Klaus Schuster zuletzt wissen, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen schien. Einerseits ja, andererseits steht der Sammler nun mit Schwerin im Wort. Müller fühlt sich hin- und hergerissen.

So bleibt er am heutigen Sonntag, dem erstmalig von den deutschen Kunstmuseen begangenen „Tag der Schenkung“, nicht in Berlin, sondern reist nach Mecklenburg, um sich dort mit der künftigen Bleibe seiner Bilder weiter anzufreunden. In den Schweriner Museen wie etwa auch in den Münchner Pinakotheken gibt es ein reiches Besucherprogramm, um nochmals die Bedeutung der Stifter für die Museen zu unterstreichen. In Berlin werden derweil „Info-Stelen“ aufgestellt, vom lebendigen Austausch zwischen einem Museum und seinen Spendern keine Spur.

Gerade das aber ist es, was ein Sammler vom Kaliber eines Christoph Müller sucht. Mit Holm Bevers, dem Kustos für die Niederländer am Berliner Kupferstichkabinett, macht er bereits Erwerbungen in Kooperation. „Seit vier Jahren sammeln wir zusammen“, erzählt er. Dem Museumsmann wurde schon so mancher Wunsch erfüllt, umgekehrt gibt Müller auch den einen oder anderen Tipp. Nach drei Jahren in Berlin hat er überdies eine neue Leidenschaft entdeckt, das 19. Jahrhundert. Erst jüngst kaufte er Zeichnungen von Chodowiecki, Schadow, Menzel, Schinkel. Bevers beobachtet das mit Eifersucht, doch dem Direktor des Kupferstichkabinetts, Hein Schulze-Altcappenberg, lacht das Herz, denn auch diese Blätter dürften eines Tages den Staatlichen Museen zu Berlin gehören.

„Ich will mich nützlich machen“, erklärt der Sammler sein „soziales Engagement“, wie er es nennt. Er empfindet es als Ehre, helfen zu können. Als Neumitglied der Berliner Graphischen Gesellschaft schenkte er dem Kupferstichkabinett die Lünetten-Vorzeichnungen von Eduard Bendemann für die Alte Nationalgalerie. Fröhlich dichtete Generaldirektor Schuster damals: „Bendemann, geh Du voran“. Bei den Gemälden könnte er allerdings das Nachsehen haben.

Anmeldungen zur Besichtigung unter Sammlungmueller@gmx.de

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