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Kultur: Der Weg der Schnecke

Die Aedes Galerie lädt ins Grüne

Wie wenig Grün es doch bedarf, um uns zu beruhigen. Meist reichen Baum, Wiese, Bank, ein Kinderspielplatz und ein Wasserspiel, und schon ist man mitten im Häusermeer fast wie verreist. Doch der seit einigen Jahren zu beobachtende Bedeutungszuwachs der Landschafts- und Freiraumplanung geht mit einer schwindenden Bedeutung der öffentlichen Räume einher, die immer häufiger als Eventflächen von privaten Investoren bespielt werden. In dieser zwiespältigen Situation nimmt sich die Galerie Aedes des Themas Stadt- und Landschaftsgestaltung an: aus Aedes West wird Aedes Land. Dabei geht es Kristin Feireiss und Hans-Jürgen Commerell nicht um einen simplen Namenswechsel für ihre traditionsreichen Räume am Savignyplatz, sondern um eine inhaltliche Neuausrichtung: „Landschaftsarchitektur muss eine Schlüsselrolle bei der Diskussion über so komplexe Fragen wie die Urbanisierung, die europäische Stadt, die Megametropolen und die Zukunft des öffentlichen Raumes übernehmen.“

Für die erste Ausstellung hat sich das Aedes-Team gleich einen der renommiertesten europäischen Landschaftsgestalter eingeladen, den Schweizer Günther Vogt. Quasi im Vorbeifahren gibt er den Besuchern einen Eindruck von seinen jüngsten Projekten. Auf kleinen Monitoren, die in Autorückspiegeln montiert sind, sieht man langsame Kamerafahrten entlang eines Wasserbeckens, verfolgt eine Schnecke auf ihrem Weg über ein Blatt oder wird in einen lichten Birkenhain entführt. Mit seinen Gärten und Parks schafft Vogt entschleunigte Orte, die Natur zu Poesie verdichten wie bei dem kleinen Garten des Zürcher Hotels Greulich. Wie er dabei konzeptionell vorgeht, zeigt das Beispiel des zentralen grünen Bereichs auf dem neuen Novartis Campus in Basel, der derzeit auf der Tiefgarage des Areals entsteht. Anhand von Karten, Skizzen, Materialproben und Modellen lässt sich in der Ausstellung nachvollziehen, wie Vogt das Motiv dieses Landschaftsgartens aus der Flussauen- Landschaft des Rheins herleitet. So mäandern die Wege in dem großen Parkmodell gemächlich durch ein Wäldchen, weiten sich zu Lichtungen und zeigen auf dem einstigen Industrieareal vermeintlich natürliche Abbruchkanten.

Die strengen architektonischen Entwürfe, wie sie die Berliner Plätze der letzten Jahre dominieren, sind Vogt nicht fremd. Und doch zeigen seine Landschaftsideen weit mehr. Dem geschlängelten Weg zur Allianz-Arena entlockt er funktionale Poesie. Eine heimliche Lust an blühender Opulenz bestimmt den Garten an Herzog und de Meurons Hauptsitz der Helvetia Versicherung in St. Gallen, die ein farbiges Staudenmeer umspielt. Die sinnliche Note ist es, mit der ein auf pflegeleicht getrimmter öffentlicher Stadtraum neue Qualitäten gewinnen könnte, denn sein Grün belebt. Aedes Land, Savignyplatz, Else-Ury-Bogen 600, bis 20. Mai, Katalog 10 €.

Jürgen Tietz

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