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"Der Westen leuchtet": Kunstmuseum Bonn wirbt für das Rheinland

Der Titel „Der Westen leuchtet“ sagt es schon, wenn auch unfreiwillig: Die rheinische Kunstszene ist im Schatten Berlins unsicher geworden.

Die Schockstarre, die der Exodus von Galerien und Künstlern verursacht hat, scheint aber überwunden. Vorbei das Gejammer über den eigenen Bedeutungsverlust, die sentimentale Rückschau auf glorreiche Zeiten, als führende Protagonisten der Avantgarde zwischen Düsseldorf und Köln zu Hause waren. Die ehrwürdige Art Cologne, früher das Epizentrum des Kunstmarkts, hat sich wieder gefangen. Junge Kunsthändler rücken nach, Museen, wie gerade die Düsseldorfer Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, expandieren oder machen neu auf.

So schnell gibt sich das Rheinland nicht geschlagen, zumal die Lust an froher Selbstdarstellung konstant bleibt. Den Hauptstadtvergleich scheut man trotzdem, zu tief sitzt die Kränkung, die eigene Position neu verhandeln zu müssen. Was bei den Älteren unliebsame Durchblutungsstörungen hervorruft, birgt für die Jüngeren ungeahnte Chancen. Der Kölner Christian Keinstar, Jahrgang 1975, gehört zu jener wachsenden Spezies Jungkünstler, die vehement den rheinischen Standort verteidigen. In Berlin herrsche ihm, so Keinstar im Gespräch mit dieser Zeitung, „zu viel Konkurrenz und Unschärfe“. Das Rheinland dagegen sei angenehm überschaubar und finanziell besser ausgestattet, die Kontakte zu den Institutionen enger. Zudem besinne man sich gerade auf seinen Nachwuchs.

Bevor im Herbst das Museum Morsbroich in Leverkusen unter dem Titel „Neues Rheinland. Die postironische Generation“ seine Barock-Pforten für die 70er-Jahrgänge öffnet, gibt das Kunstmuseum Bonn seine gesamte Ausstellungsfläche von 3500 Quadratmetern frei. 33 Künstlerpositionen, großzügig in Einzelräume verteilt, gibt das Schaulaufen her. Was man zu sehen bekommt, ist freilich das Resultat eines zweifelhaften Generationenexperiments.

Dass die Kuratoren die Auswahl der Jüngeren in einem Patenprinzip den Älteren überließen, könnte noch als ein erfrischender Anfall von Selbsthass durchgehen. Dass die etablierten Künstler, von Becher über Klauke bis Ulrichs, die Gelegenheit überwiegend dazu genutzt haben, um ihren eigenen Schülern, Assistenten oder gleichaltrigen Kollegen eine Bühne zu liefern, führt das Konzept einer Standortbestimmung ad absurdum. Der Qualität tut es keinen Abbruch.

Es geht los mit einem „historischen Kern“ um die Klassiker Beuys, Palermo, Richter, Polke, Knoebel und Rückriem. Was erstaunt, ist die Beiläufigkeit, mit der diese Heroen präsentiert werden. Traditionspflege sieht anders aus. Andreas Gursky und Katharina Sieverding zeigen im Obergeschoss dann doch kosmische Größe. Während der Foto-Star mit der neuesten Serie „Ocean“ sein ökologisches Gewissen entdeckt und sämtlichen Ozeanen aus der „Google Earth“-Perspektive huldigt, dringt die Beuys-Schülerin mit ihrer Videoprojektion aus dem Zyklus „Die Sonne um Mitternacht schauen“ einen Schritt weiter in den Weltraum hinein. Ihre glühende, aus den Archiven der NASA stammende Sonne, zieht den Betrachter magisch an. Schönheit und Gefahr lauern in ihren Tiefen und lassen die Anwesenheit der kriselnden Erde für den Moment einer kurzen Eruption vergessen.

Keinstars zu Skulpturen aufgeschichtete Trümmerhaufen sind ein veritabler Schock. Unversehens wähnt man sich im Innern eines postnuklearen Albtraums - oder doch nur inmitten des eingestürzten Kölner Stadtarchivs? Wucherungen anderer Art begegnet man nebenan bei dem „wilden Maler“ Albert Oehlen. Seine Gemälde huldigen immer noch der malerischen Geste, dem schnell aufgetragenen Pinselschlag. Im gelungenen Kontrast zur unermüdlichen Bildstörung steht das Werk seines Patenkindes Thomas Arnolds. Die strengen, in Primärfarben getauchten Küchenbilder überlassen nichts dem Zufall und reduzieren das formale Inventar auf eine Ästhetik des Setzkastens. Wiederkehrende Motive wie Knochen, russische Schachtel-Puppen oder Türklinken mutieren in dieser Spielzeugwelt zu Ornamenten mit magisch aufgeladenen Details.

Ohnehin sollte man die Ausstellung als ein Sammelsurium disparater Trumpfkarten betrachten, das sein Versprechen des Aufbruchs schuldig bleibt, als hochdotierte Flaniermeile jedoch bestens funktioniert. Der Besucher kann sich entspannen. Ja, er kann sich verzaubern lassen. Beim Stöbern stößt er dann im hinteren Bereich auf den von Rosemarie Trockel vorgeschlagenen Kölner Bildhauer Michail Pirgelis.

Da ist sie dann wieder, die Einbauküche – wenn auch in Teile zerlegt. Die stammen von Flugzeugfriedhöfen und haben für die Installation „The Rest is History“ den umgekehrten Weg vom Himmel auf die Erde genommen. Ihr Innenleben verwandelt Pirgelis in vertikale Objekte, die im Silberdunst des Aluminiums blinzeln. In eine wenn nicht glänzende, dann doch zuverlässig schimmernde Zukunft hinaus, denn als Geschichte, das steht am Ende des Parcours fest, lässt sich die rheinische Kunstszene lange nicht ad acta legen.

Kunstmuseum Bonn, bis 24. Oktober.

Alexandra Wach

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