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Kultur: Der wilde Zauberer

Siegfried Palm, begierig darauf, Generalintendant der Deutschen Oper Berlin zu werden, eröffnete unser erstes Treffen mit einem stolzen Statement: Mein Schüler hat gerade den Felix-Mendelssohn-Preis gewonnen. Das war 1975, Palms Berliner Kandidatur durchaus noch umstritten, zumindest ein Sturm im Westberliner Wasserglas.

Siegfried Palm, begierig darauf, Generalintendant der Deutschen Oper Berlin zu werden, eröffnete unser erstes Treffen mit einem stolzen Statement: Mein Schüler hat gerade den Felix-Mendelssohn-Preis gewonnen. Das war 1975, Palms Berliner Kandidatur durchaus noch umstritten, zumindest ein Sturm im Westberliner Wasserglas. Aus dem potentiellen Theatermacher aber sprach der Cellist. Der damalige Schüler heißt Georg Faust und ist seit 1985 Erster Solocellist der Berliner Philharmoniker.

Gekrönt mit dem Ruhm eines Interpreten zeitgenössischer Musik, der jeden Vorwurf des Unausführbaren zu widerlegen weiß, tritt Palm 1976 seine Intendanz als Nachfolger Egon Seefehlners an. An der Bismarckstraße erweist sich indes, dass die profunden Kenntnisse eines Opernliebhabers, seine Musikalität und das in Köln als Hochschuldirektor erworbene Führungswissen nicht ausreichen, um einen erfolgreichen Theaterorganisator abzugeben. Die Eigenlastigkeit des Betriebs erdrückt die Höhenflüge der Phantasie. Es passieren Fehlbesetzungen, Premierenpech und Pannen. 1980 entscheidet der Senat, Palms Vertrag nicht über 1981 hinaus zu verlängern, Götz Friedrich steht verheißungsvoll vor der Tür.

Im Rückblick scheinen aber auch die Lichtblicke der Palm-Zeit auf: die Friedrich-Inszenierungen etwa des "Falstaff" (Dirigent: Gielen) und "Figaro" (Barenboim), die dem Haus den Weg in die Zukunft wiesen, die Entdeckung des Dirigenten Giuseppe Sinopoli, dessen erster Triumph - mit Verdis "Macbeth" - 1980 aus dem Berliner Orchestergraben kam.

Donaueschinger Musiktage 1978: Der Name Sinopoli taucht unter den Komponisten auf und Siegfried Palm als sein Uraufführungsinterpret. Hier schlägt das Konzert eine Brücke zwischen dem Virtuosentum und den Opernträumen Palms. Das Renommee des aus Wuppertal stammenden Mainardi-Schülers ist das eines Ausnahmecellisten, eines Anregers und Mitschöpfers neuer Musik. Das Violoncello emanzipiert sich zum Paradeinstrument. Boris Blacher, Kagel, Penderecki, Ligeti, Feldman, Isang Yun schreiben ihm ihre Werke. "Aber die große Freundschaft, das war eben Bernd Alois": Ein Sorgenkind wie Zimmermanns Cellosonate, deren Drucklegung der Schott-Verlag wegen ihrer Schwierigkeiten ablehnte, wird von Palms Begeisterung durchgesetzt, das Unspielbare über 200 mal gespielt, so dass es zu den meistgespielten Stücken des "Soldaten"-Komponisten avanciert ist.

Heute vollendet Siegfried Palm das 75. Lebensjahr. Es entspricht seinem Temperament, dass die Lust und Neugier auf Musik - auch der Tradition - in ihm nicht erloschen sind und er weiterhin "wie wild" Meisterkurse gibt. Termine: demnächst Amerika, Ende August Neuhardenberg.

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