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Kultur: Der Winzling

„Hedwig And The Angry Inch“ im Glashaus der Berliner Arena

Die Pufferzone zwischen Mann und Frau misst zweieinhalb Zentimeter. Ein Fleischfetzen nämlicher Länge, erzählt Hedwig, sei bei ihrer Geschlechtsumwandlung übrig geblieben, ein „angry inch“, der seither ihr Leben bestimmt. Im Glashaus der Treptower Arena (dienstags bis samstags) nimmt sich das Zwischenwesen Zeit, um seine Geschichte zu erzählen, während Diaprojektionen und eingestreute Songs daran erinnern, dass „Hedwig And The Angry Inch“ eigentlich ein Musical ist – und sogar ein ziemlich erfolgreiches.

Die krude Story vom Ostberliner, der sich operieren ließ, um durch eine Ehe mit einem amerikanischen Soldaten der DDR-Tristesse zu entfliehen, wurde am Off-Broadway zum Megahit. Und der Stoff hat es in sich: „Hedwig" ist ein böses Märchen, ein aberwitziges Patchwork aus Splatter, Trash, Dirty Talk und pathetischer Individualträgödie, das alles sein darf, nur nicht langweilig. Doch die für Berlin vorgenommene Einrichtung belastet die zweieinhalb zornigen Zentimeter mit dem ganzen Erdenelend einer entwurzelten Existenz: Was einem zynisch, brutal und exhibitionistisch um die Ohren gehauen werden müsste, wälzt Regisseur Rhys Martin mit epischer Breite aus: Dauerte die Urversion 90 Minuten, hat sich die Berliner Hedwig zu diesem Zeitpunkt erst durch die Hälfte ihres verschwurbelten Textbreis gearbeitet. Drew Sarich, als Glöckner am Potsdamer Platz zu Musical-Ehren gekommen, müht sich in diesem aufgeblähten Monodram redlich, bringt aber nur ein verklemmtes Frank’n’furter-Abziehbild zustande. Die Musik klingt nach Peter Maffay, die Texte sind zäh. Und das Ganze lässt sich wohl nur retten, wenn Ades Zabel oder Desiree Nick einspringen. Jörg Königsdorf

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