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Kultur: Des Dichters Lieblingsgewächs: die gewöhnliche Grünlilie

Der Lyriker schrieb ein botanisches Lehrbuch, der Dramatiker züchtete Kristalle, der Kulturphilosoph verfaßte eine Farbenlehre, und dem Wissenschaftler waren seine Naturerkenntnisse Keime zu neuer Dichtung.Goethe war Universalgelehrter vor allem in dem Sinne, Erkenntnis und Schöpfertum zu einer Tätigkeit zu verbinden.

Der Lyriker schrieb ein botanisches Lehrbuch, der Dramatiker züchtete Kristalle, der Kulturphilosoph verfaßte eine Farbenlehre, und dem Wissenschaftler waren seine Naturerkenntnisse Keime zu neuer Dichtung.Goethe war Universalgelehrter vor allem in dem Sinne, Erkenntnis und Schöpfertum zu einer Tätigkeit zu verbinden.Von zweien, die eines sind, spricht auch das Gedicht "Ginkgo biloba" aus dem West-östlichen Diwan; ein Ginkgobaum stand - und steht noch - vor Goethes Haus am Frauenplan.Nach umfänglichem Pflanzenstudium hatte Goethe auf seiner italienischen Reise das Prinzip der Metamorphose entdeckt, das ihm die Vielfalt der Erscheinungen sowie ihren Zusammenhalt erklärte: Alles ist eine Folge von Verwandlungen einer Urgestalt, ist damit Idee und Anschauung zugleich."Man suche nur nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre." Das abgelehnte "Dahinter" war die Zergliederungswut der beginnenden Moderne, Goethe stritt gegen eine Wissenschaft, die die Erscheinungswelt zugunsten abstrakter Gesetze verriet.Daher seine Attacke gegen die Physik Newtons und seine Ablehnung der starren Pflanzenklassifikation Linnés.Für Goethe hieß Sein Werden; in der Biologie seiner Zeit, die noch weitgehend an die Schöpfung glaubte, eine gedankliche Vorstufe zu Darwin.

Die Wissenschaftsgeschichte ist über Goethe hinweggeeilt, eine Ausstellung im Düsseldorf aber wendet sich um und läßt noch einmal, Botanisierblatt für Botanisierblatt, Keimglas für Keimglas, aus dem Dichter des "Faust" den Visionär der Urpflanze und aus dem Botaniker im Selbststudium den Meister floraler Poesie erstehen: Erstausgaben, Zeichnungen, Autographe aus Goethes Besitz sowie Nachbauten seiner botanischen Versuche sind Düsseldorfs erster Beitrag zum Jubiläumsjahr.Der sammelwütige Olympier hätte seine Freude daran, zumal er das Haus, Schloß Jägerhof, kannte; es war dem seiner Freunde Jacobi benachbart, wo er sich 1792 zum ersten Mal aufhielt.50 000 Stücke zählt das Düsseldorfer Goethe-Museum, die Sammlung Kippenberg; 230 sind in der Ausstellung "Goethe und die Welt der Pflanzen" bis zum 11.April aufgebaut, unter ihnen Goethes Lieblingsgewächse.Zu denen zählt Anthericum comosum, die Grünlilie.Sie wuchert noch heute in jedem deutschen Büro.

ULRICH DEUTER

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