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Die Straße des Führers. Blick auf die Reichsautobahn in Darmstadt.

© dpa

Design im Nationalsozialismus: Hitlers Autobahn, Opas Besteck

Schwarze Uniformen und völkisches Geschirr: NS-Design bewegt sich zwischen Moderne und Ideologie. Eine niederländische Schau beginnt mit der Aufarbeitung.

Aber Hitler hat doch die Autobahn gebaut, hieß es früher gern, wenn jemand umschreiben wollte, dass „früher nicht alles schlecht war“. Die Nachkriegsgeneration, die sich naiv an den Autobahnen glaubte erfreuen zu dürfen, ist nicht mehr, und den Heutigen erscheinen die Autobahnen als das, was sie in der erdrückenden Überzahl ihrer Streckenkilometer denn auch sind: als Leistung einer friedfertigen Nachkriegszeit.

Dass der Bau der Autobahnen unter dem Signum der „Straßen des Führers“ eine der großen propagandistischen Anstrengungen des NS-Regimes darstellte, als Propaganda wichtiger denn in ihrem tatsächlichen Nutzwert für ein noch schwach motorisiertes Land, hat sich mittlerweile als Erkenntnis durchgesetzt.

Verloren gegangen ist allerdings die Kenntnis der Anstrengungen, die das Regime unternahm, um die Autoschneisen durch eine noch weitgehend unberührte Landschaft als große gestalterische Leistung erscheinen zu lassen.

In der Tat frappiert der Aufwand, der mit der Konstruktion von Brücken, Viadukten und szenischen Routen betrieben wurde. Und über der Betrachtung der sorgfältig inszenierten Fotografien, die seinerzeit medial verbreitet wurden, gerät eben die regimestabilisierende Zielsetzung aus dem Blick.

Doch das gilt nicht allein für die Autobahnen. Die Gestaltung aller Dinge unterlag im NS-Regime einer solchen Zielsetzung. Es gibt keine unschuldige Gestaltung: Das ist die Kernthese der Ausstellung, die das Design Museum im niederländischen Den Bosch jetzt unter dem harmlos klingenden Titel „Design im Dritten Reich“ ausrichtet.

„Gerade Design wird oft als Beitrag zu einer besseren Welt dargestellt“, heißt es im Begleittext der Ausstellung, die derzeit noch ohne Katalog auskommen muss. Das ist besonders zu bedauern angesichts der Fülle von Objekten, die Direktor Timo de Rijk mit seinen Kuratoren ausfindig gemacht hat, und die wegen ihrer Heterogenität – was ist nationalsozialistisch, was eher nicht? – eine Erläuterung verlangen.

Nationalsozialismus in den Niederlanden, da muss der Besucher erst einmal stutzen. Aber vielleicht ist es gerade die Leidensgeschichte der Niederlande unter deutscher Besatzung, die den Blick frei macht – sowohl alle denkbaren Objekte zu versammeln als auch in jenen, die kaum oder gar nicht kontaminiert scheinen, die ideologische Komponente aufzuspüren.

Wohl noch nie zuvor hat es eine so umfassende Ausstellung zum Design der Nazizeit gegeben, vor allem keine, die allein die gestalterischen Anstrengungen seitens des Regimes vorführt. Es wäre der Ausstellung eine deutsche Station zu wünschen – warum nicht im Münchner Haus der Kunst, das bekanntlich als „Haus der Deutschen Kunst“ ein Zentralort der von den Nazis erstrebten „deutschen“ Kultur war?

Die olympischen Festspiele 1936 waren für das Regime eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Ein Plakat der Zeit.
Die olympischen Festspiele 1936 waren für das Regime eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Ein Plakat der Zeit.

© Münchner Stadtmuseum

Ausgerechnet der Riesenbau von Hitlers Lieblingsarchitekt Paul Ludwig Troost fehlt in der Schau, die keine Übersicht über die Architektur des Regimes geben will, sondern sich auf buchstäblich alles stürzt, was man in die Hand nehmen, an die Wand hängen, in die Wohnung stellen oder eben auch bei Aufmärschen und im Krieg benutzen kann.

Denn daran lässt die einigermaßen chronologische Dramaturgie der Ausstellung keinen Zweifel: dass das NS-Regime nicht etwa zufällig, sondern aus seiner innewohnenden Logik heraus in den Abgrund, in die Vernichtung steuerte, im Inneren im Völkermord und im Äußeren im Eroberungskrieg.

Folgerichtig schließt die Ausstellung mit einer Vitrine, die die auffallend moderne Ausrüstung der Waffen-SS-Kämpfer zeigt, mit Tarnanzug und -stahlhelm und Sturmgewehr Baujahr 1944.

[Design Museum Den Bosch, bis zum 19. Januar, Infos: www.designmuseum.nl]

Wie scheinbar harmlos hatte es begonnen, mit dem „Amt Schönheit der Arbeit“, das zweckmäßiges, aber eben auch „völkisch“ angehauchtes Geschirr und Besteck vorrangig für Betriebskantinen entwerfen ließ, dazu hölzernes Gestühl als Ausdruck vermeintlicher Erdverbundenheit.

Doch zugleich wurde die Produktion des „Volksempfängers“ vorangetrieben, der mit einem Preis von 76 Reichsmark ein tatsächliches, erschwingliches Massenprodukt wurde. Ein Prototyp für die „Deutsche Arbeitsfront“ von 1935 in silbergrauem Aluminium frappiert durch den Ausdruck unbedingter Technomoderne, und wäre nicht das Hakenkreuz im Zahnradkranz auf dem Gehäuse zu sehen, könnte der Kasten als Abkömmling des Bauhauses verortet werden.

Es ist dieser Doppelcharakter von Volkstums-Ideologie und technisch-effizienter Moderne, der die Gestaltung unter dem NS-Regime kennzeichnet. Für jede Zielgruppe der „Volksgemeinschaft“ wurde die passende gestalterische Ansprache gefunden, fürs „Landvolk“ heimelig – unerträglich kitschig in der Malerei, die selbst den führenden Nazi-Größen peinlich war – und für die umworbene technische Intelligenz der Großstadt eben modern.

Die Teilchen der Vernichtungsmaschine

Doch alle Schichten trafen sich in der Sucht nach Gepränge, nach Uniformen, Abzeichen, Aufmärschen, nach Sich-groß-Fühlen nach den als erniedrigend empfundenen Jahren der (ersten) Nachkriegszeit und den Turbulenzen der Weimarer Republik.

Folgerichtig ist die Ausstellung, die das ganze, stützenlose erste Obergeschoss des Museums füllt, ringsum an den Wänden mit großformatigen Abzügen von Farbfotografien – noch etwas, worauf das Regime stolz war – dekoriert, die den Nürnberger Reichsparteitag ebenso zeigen wie ein „Weihnachtsessen“ für Uniformträger im Münchner Bürgerbräukeller.

Ornament der Masse. Frauenformation auf dem Nürnberger Reichsparteitag.
Ornament der Masse. Frauenformation auf dem Nürnberger Reichsparteitag.

© The LIFE Picture Collection/Gett

Was mit dem Ausdruck von Siegfried Kracauer als „Ornament der Masse“ geläufig ist, hier kommt es zur Anschauung. Es fehlt nur der Spruch, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“. Denn auch wer da mit schwarzer Uniform und Ehrendolch herumstolzierte oder als Fahnenträger ein metallenes Brustschild vor sich hertrug, zählte nur als Teilchen einer Maschine der am Ende unverbrämt agierenden Vernichtungsmaschine.

„Kraft-durch-Freude“. Der Käfer von Volkswagen wird öffentlich vorgeführt.
„Kraft-durch-Freude“. Der Käfer von Volkswagen wird öffentlich vorgeführt.

© dpa

Über die wuchtige Anrichte nach Entwurf von Albert Speer, die einst die Reichskanzlei geziert hatte, über einen Webteppich mit der Inschrift „Du bist Deutschland“, über Hakenkreuzwimpel und -fahnen mag man heute den Kopf schütteln. Darüber ist die Zeit wahrlich hinweggegangen.

Aber die zugleich vorhandene Modernität des Regimes, die eben nicht unschuldig war, die nicht abgetrennt werden kann vom mörderischen Endziel der in der Ausstellung vielfach genannten Hitler, Goebbels und Bormann, die bezeichnet die latente Gefahr durch technische Faszinationskraft.

Deswegen steht folgerichtig im Foyer des Museums ein Original-Käfer, der berühmte „Kraft-durch-Freude“-Wagen. Es wurden nur 640 zivile Exemplare gebaut. Die große Mehrheit der tatsächlich fertiggestellten Gefährte rollte als Kübelwagen an die Front.

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