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Kultur: Deutsch-jüdisch-amerikanische Beziehungen: Shlomo Shafir über die verschlungene Wege eines schwierigen Dialogs

Die Bundesrepublik Deutschland lebte über fünf Jahrzehnte hinweg mit dem Vorzug, ebenso scharfe wie scharfsinnige und hochrangige Kritiker zu haben. Unter dem prüfenden Blick der amerikanisch-jüdischen Organisationen, die in Fragen der politischen Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes, seiner Helfer und Mitläufer die Bonner Regierung unter Druck setzten, gelang es, ein selbstkritisches Geschichtsbewusstsein zu entwickeln.

Die Bundesrepublik Deutschland lebte über fünf Jahrzehnte hinweg mit dem Vorzug, ebenso scharfe wie scharfsinnige und hochrangige Kritiker zu haben. Unter dem prüfenden Blick der amerikanisch-jüdischen Organisationen, die in Fragen der politischen Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes, seiner Helfer und Mitläufer die Bonner Regierung unter Druck setzten, gelang es, ein selbstkritisches Geschichtsbewusstsein zu entwickeln.

Jüdische Einmischung in die inneren Angelegenheiten Westdeutschlands half, die politische Kultur einer debattenfähigen, offenen Demokratie zu verankern. Das jüngst von Bundespräsident Rau Vertretern des American Jewish Committee verliehene Bundesverdienstkreuz ehrt Beiträge zur deutsch-amerikanischen Freundschaft. Dahinter freilich steckt ganz wesentlich das Verdienst, Tacheles geredet und für Klarheit im Dialog gesorgt zu haben. Shlomo Shafir, Historiker mit enzyklopädischem Wissen, hat den verschlungenen Weg der deutsch-jüdisch-amerikanischen Nachkriegsbeziehungen nachgezeichnet.

Die Detailfülle seines Buches deckt die beteiligten Organisationen und Persönlichkeiten ab. Es weist eine jahrelange unermüdliche Forschungsarbeit in amerikanischen, deutschen und auch in israelischen Archiven aus. Denn Israel ist Teil dieser Beziehungen. Shafir zeigt, dass die Bundesrepublik in diesem diplomatischen Geflecht nicht nur Objekt war, sondern selbst eingriff: Bis in die 70er Jahre war es leichter, das Verhältnis zu Israel zu intensivieren und damit die amerikanische Öffentlichkeit zu gewinnen.

Mehr und mehr aber führten Israels Rolle als Besatzungsmacht und die deutsche Rücksichtnahme auf den Wirtschaftsfaktor arabischer Märkte zur Stagnation. Der Versuch, dies durch Kontakte zu den amerikanischen Juden wettzumachen, misslang. Doch Bonns Eintreten für das nationale Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser seit den 80er Jahren führte auch nie zum Bruch mit den Spitzen der jüdischen Gemeinden der USA. Die Fortsetzung des Dialogs trotz zahlreicher Verstimmungen und öffentlicher Proteste zeigt die Ambivalenz ebenso wie die Tragfähigkeit der Beziehungen.

Shafir steht als ausgewiesener Deutschlandfachmann in Israel auch persönlich für die deutsch-jüdische Wiederannäherung. Niemals verdeckt er die Entfremdungen zwischen beiden Seiten, immer aber zeigt er die Vernunft der Versöhnungsbemühungen. Durch das ganze Buch hindurch bleibt die Stimme des Autors kenntlich: Hier schreibt jemand, der tief mit der Materie verbunden ist.

Oliver Schmolke

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