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Kultur: Deutsche Oper: Ins Leere gehüpft

Von Bach bis minimal music reicht das musikalische Spektrum des Choreografen Heinz Spoerli, der mit über 140 inszenierten Balletten immens produktiv ist. Auch an die Ehrfucht gebietenden "Goldberg-Variationen" hat sich Spoerli gewagt: Das war riskant, aber brachte dem Schweizer Anerkennung.

Von Sandra Luzina

Von Bach bis minimal music reicht das musikalische Spektrum des Choreografen Heinz Spoerli, der mit über 140 inszenierten Balletten immens produktiv ist. Auch an die Ehrfucht gebietenden "Goldberg-Variationen" hat sich Spoerli gewagt: Das war riskant, aber brachte dem Schweizer Anerkennung. 1993 fand die Uraufführung mit dem Düsseldorfer Ballett statt; die "Goldberg-Variationen" wählte er auch, als er 1996 seine Ballettdirektion in Zürich antrat. An der Deutschen Oper bringt er nun eine - leider glanzlose - Version auf die Bühne.

Die Ausstattung ist betont schlicht. Das Bühnenbild von Hans Schavernoch besteht aus halbtransparenten Hintergrundprospekten, die am Ende von einem Wolkenhimmel abgelöst werden. Die Trikots setzen auf Farbkontraste, mal poppig, mal puristisch. Ein klarer Rahmen für das Bewegungs-Design, das dem neoklassischen Stil huldigt, und doch nach einer eigenen Ausprägung sucht. Die formale Strenge des akademischen Tanzes wird immer wieder aufgebrochen. Es darf gehüpft werden.

Der Pianist Alexey Botvinov besticht durch seine luzide Klarheit und eine verhaltene Emotionalität. Musikalisch formuliert sich hier ein konzentrierter Ernst, eine anmutige Heiterkeit, auf die der Tanz nicht angemessen zu antworten weiß.

Denn was über die Bewegung an Assoziationen transportiert wird, ist dürftig. Annäherung, Distanzierung und Trennung - das alles bleibt schablonenhaft. Bachs "Aria und 30 Veränderungen" haben mit ihrer Dauer von 80 Minuten allein schon eine zeitliche Dimension, die dem Choreografen und den Tänzern einiges abverlangt. Der Zyklus wird aber weder choreografisch noch tänzerisch ausgefüllt.

Hier macht sich schmerzlich bemerkbar, dass das Ballettensemble der Deutschen Oper über keine herausragenden Tänzerpersönlichkeiten mehr verfügt. Gaststar Sandy Delasalle tanzt zwar hinreißend, sie besitzt Klasse und Raffinement, lässt aber nicht ab von ihren Ballerinen-Allüren. Statt eines Mit- und Gegeneinander sieht man oft ein Nebeneinander. Auch wenn die Tänzer mit ausgestrecktem Arm immer wieder aufeinander zeigen: weder stiftet die Choreografie ausreichend Verbindungen, noch sind unsichtbare Kraftlinien zwischen den Ausführenden zu spüren.

Statt die Choreografie nüchtern und unterkühlt darzubieten, wird immer wieder der Versuch unternommen, Emotionalität abzupressen - oder als Tänzer zu brillieren. Das Jungmännerquartett vermag noch zu gefallen, weil es zu unangestrengter Gemeinsamkeit findet, sich mal spielerisch, mal athletisch auf die Bewegung konzentriert. Begegnen sich Mann und Frau, dann ist Ballett nun mal Ballett: Trippeln und Schwirren, Stemmen und Taumeln. Erst so tun, als sieht man sich nicht, dann kreuzen sich wie zufällig die Wege. Einander umkreisen. Davonhuschen und dem nächsten in die Arme fallen. Das ist albern und banal. Überhaupt: Was hier an menschlichen Beziehungen vorgeführt wird, ist aus der engen Perspektive eines Ballettsaals geschildert. Übergreifende Bögen sind nicht zu erkennen. So bewegt sich der Abend kurzatmig von einem Auftritt zum nächsten. Zu sehen ist eine Compagnie, die führungs- und orientierungslos vor sich hin pirouettiert.

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