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Deutscher Widerstand: Im Schatten der Geschwister Scholl

Nach 68 Jahren erscheinen erstmals die Briefe der "Weiße Rose"-Widerstandskämpfer Alexander Schmorell und Christoph Probst. Wie Sophie und Hans Scholl bezahlten sie ihren Mut mit ihrem Leben.

Alexander Schmorell und Christoph Probst sind vieles - nur keine Randfiguren des Deutschen Widerstandes. Und dennoch kennt heute so gut wie keiner ihre Namen. Ganz anders verhält es sich hingegen mit Hans und Sophie Scholl: Sie stehen für den bürgerlichen Jugendwiderstand gegen die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland. Ihre Namen sind jedem ein Begriff. Doch sie handelten nicht allein. An ihrer Seite waren neben Willi Graf und Kurt Huber auch Alexander Schmorell (1917–1943; Mitbegründer der Weißen Rose) und Christoph Probst (1919–1943). Beide waren wichtige Stützen der Münchner Widerstandsgruppe.

In einer Edition der Historikerin Christiane Moll erscheinen nun über 300 Briefe der beiden Widerstandskämpfer. 68 Jahre nach den "Weiße-Rose"-Prozessen und werden die authentischen Quellen ungekürzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Moll hofft, "dass sich nun die Sicht auf die Widerstandsgruppe "Weiße Rose" etwas auflockern wird". Schmorell und Probst bekommen endlich "eine Stimme und ein Gesicht". Nicht nur das Bild der Öffentlichkeit ist durch die Konzentration auf die Geschwister Scholl verzerrt - auch die Wissenschaft legte den Fokus allzu lange auf das Geschwisterpaar. Doch der verselbstständigte Mythos der Geschwister Scholl hat nichts mit der historischen Realität zu tun.

Begonnen hatte alles im Juni 1941, als Schmorell, der seit der Schulzeit mit Probst befreundet war, Hans Scholl kennen lernte. Gespräche und Diskussionen genügen ihnen bald nicht mehr. Zusammen mit den Sophie Scholl, Willi Graf und dem Universitäts-Professor Kurt Huber formieren sie den engsten Kreis der Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Ab Sommer 1942 arbeiten sie gemeinsam an sechs Flugblättern. In ihnen rufen sie die Bevölkerung zum passiven Widerstand gegen das Nazi-Regime auf. In nächtlichen Aktionen schreiben sie im Februar 1943 mit Teerfarbe Parolen wie "Nieder mit Hitler", "Hitlers Mörder" und "Freiheit" an Münchner Gebäude.

Am 18. Februar 1943 werden die Geschwister Scholl beim Verteilen von Flugblättern erwischt und verhaftet. Probst fliegt anschließend ebenfalls auf und wird am 22. Februar 1943 mit Hans und Sophie Scholl hingerichtet.

Lesen Sie auf Seite 2 was Christoph Probst in einen Abschiedsbrief an seine Mutter schreibt.

Mit nüchternen Worten, fast wie in einem Telegramm, schreibt Probst am 22. Februar 1943 an seine Mutter einen Abschiedsbrief: "Eben erfahre ich, dass ich nur noch eine Stunde Zeit habe. Ich werde jetzt die heilige Taufe und die heilige Kommunion empfangen. Wenn ich keinen Brief mehr schreiben kann, grüße alle Lieben von mir... Sag ihnen, dass mein Sterben leicht und freudig war." Sein Freund Schmorell wird wenige Tage später denunziert und in einem zweiten Prozess wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Am 13. Juli 1943 stirbt auch er durch das Fallbeil.

Der Großteil seiner Briefe tauchte erst nach dem Tod Angelika Probst 1976 auf. Zur Schwester von Christoph Probst hegte Schmorell zuerst freundschaftliche, ab 1941 dann Liebes-Gefühle. Verpackt in einer mit Blumenstoff bezogenen Briefkassette überlebten sie die Jahrzehnte: Auch wenn sie ursprünglich, so der Wunsch ihrer Besitzerin, nach ihrem Tod vernichtet werden sollten. Dieses Schicksal blieb ihnen zum Glück erspart. Es sind neben Liebesbriefen hauptsächlich Briefe an die Familie und Freunde.

Erst 2002 kam das Projekt zur Edition zustande und wäre ohne Zustimmung der Nachkommen beider Familien nicht möglich gewesen, die die handschriftlichen Stücke aus ihrem Privatbesitz zur Verfügung stellten, erklärt Moll. Den 158 bzw. 178 Briefen von Schmorell und Probst stellt sie einen biografischen Überblick voran, der sich erstmals ausführlich und differenziert mit den Akteuren der "Weißen Rose" beschäftigt.

Vieles, wie die Repressionen und Verbrechen des NS-Regimes, auch ihre Fronterlebnisse, bleiben in den Briefen ungenannt. Schließlich mussten sie während ihres Militärdienstes jederzeit mit Postzensur rechnen. "Oft haben die Briefe einen unpolitischen Inhalt und sind trotzdem nur an der Oberfläche harmlos", so die Historikerin. So lässt sich mit Hilfe der Briefe ein neuer Blick auf die Geschichte der "Weißen Rose" werfen; ihre Vorgeschichte und die Ereignisgeschichte werden um wichtige Fakten ergänzt. Das Buch schließt die Lücke, die in der Forschung zu Probst und Schmorell besteht. Und vielleicht treten beide damit auch aus dem Schatten von Hans und Sophie Scholl.

Christiane Moll (Hg.): Alexander Schmorell - Christoph Probst. Gesammelte Briefe. Lukas Verlag Berlin, 1100 Seiten, 34,90 Euro.

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