zum Hauptinhalt
Marianne Hapig (links) mit ihrer Freundin Marianne Pünder (rechts), Binz, 16. August 1932.,

© Privatbesitz

Deutscher Widerstand: Zivilcourage in schwieriger Zeit

Auch nach dem 20. Juli 1944 riskierten viele Menschen ihr Leben im Kampf gegen die Nationalsozialisten. Biografien des Widerstandes.

MARIANNE HAPIG (1894-1973), Fürsorgerin und MARIANNE PÜNDER (1898-1980), Dozentin

Eine soziale Ader hat die 1894 in Hohenthurm bei Halle geborene Marianne Hapig schon früh entwickelt. Der Besuch der Franckeschen Schule in Halle und der Sozialen Frauenschule des Katholischen Frauenbundes Deutschlands in Berlin prägen sie. Nach ihrem Examen wird sie 1921 Fürsorgerin beim Bezirksamt Berlin-Neukölln. Dort lernt sie die Juristin Marianne Pünder kennen, mit der sie eine lebenslange Freundschaft verbindet.

1929 geht Hapig als Fürsorgerin an das St. Hedwigs-Krankenhaus in Berlin. Sie lehnt als gläubige Katholikin von Anfang an den Nationalsozialismus ab und hilft gemeinsam mit Marianne Pünder jüdischen Verfolgten, sich der drohenden Deportation zu entziehen. Die engen Freundinnen werden bald die beiden „Mariannen“ genannt. Marianne Pünder hat Rechts- und Staatswissenschaften studiert. Von 1927 an ist sie Dozentin an der Sozialen Frauenschule des Katholischen Deutschen Frauenbundes, 1932 deutsche Delegierte beim Völkerbund in Genf.

Nach dem missglückten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 unterstützen beide Frauen sehr trickreich die Gefangenen, versorgen sie mit Wäsche und Lebensmitteln, schmuggeln Briefe aus dem Gefängnis und sogar Manuskripte von Alfred Delp. Man nannte sie „eine heimliche Beratungsstelle für die Angehörigen der Verschwörer des 20. Juli“. Sie halfen den Angehörigen beim Umgang mit der Gestapo, zeigen ihnen, wie man Briefe schreibt, die bei Entdeckung vor der Zensur bestehen.

Ruth Andreas-Friedrich
Ruth Andreas-Friedrich

© Privatbesitz

RUTH ANDREAS-FRIEDRICH (1901–1977), Journalistin

Vier Buchstaben konnten unter Umständen tödlich sein. Aber sie hat es riskiert, „NEIN“ in der Nacht vom 18. auf den 19. April 1945 an Hausfassaden im Berliner Süden zu malen, groß und unübersehbar. Ruth Andreas-Friedrich, die Journalistin, hatte Glück gehabt und überlebt. Schon früh sorgt sie sich mit ihrem Lebensgefährten, dem Dirigenten Leo Borchard, um die verschärften Maßnahmen des NS-Regimes gegen Juden. In der Nacht des Novemberterrors von 1938 verstecken sie Juden in ihrer Wohnung und verhelfen anderen zur Flucht. Mit Unterstützung von Freunden gelingt es ihr, immer mehr Juden vor den drohenden Deportationen ab 1942 untertauchen zu lassen. Ihre Gruppe nennt sich bald „Onkel Emil“. Sie organisieren Lebensmittelmarken, Nahrung, gefälschte Papiere und Unterkünfte. Vom letzten Flugblatt der „Weißen Rose“ verbreiten sie Kopien in Berlin. Mit Flugblättern fordern sie 1945 zum Widerstand gegen Hitlers Durchhalteparolen auf. Zu ihren Taten gehörte die „Entziehung zahlreicher Nazigegner vom Wehr- und Volkssturmdienst durch Ausstellung entsprechender ärztlicher Atteste und künstliche Herbeiführung von Krankheitszuständen“, heißt es in einem Tätigkeitsbericht der Gruppe vom 14. Mai 1945.

Werner Schallhammer
Werner Schallhammer

© Privatbesitz

WERNER SCHALLHAMMER (1923–1945), Soldat

Musik und Kunst interessieren Walter Schallhammer, Sohn einer begüterten Kaufmannsfamilie aus Berlin, sehr früh. Er kann gut zeichnen und trifft sich mit Freunden, um amerikanische Musik zu hören, der lockere Lebensstil fasziniert ihn. Er kleidet sich anders, heftet sich bisweilen eine Micky Maus ans Hemd, nur um zu zeigen, dass er anders ist. Anfangs war er auch Mitglied in der Hiltlerjugend, doch er merkt bald, dass dies nicht seine Welt ist. Die amerikanische Lebensart, die er kultiviert, liegt ihm näher. Als er im April 1942 zur Wehrmacht eingezogen wird, kritisiert er in Briefen an seine Freunde den Krieg und den Nationalsozialismus. Die Papiere unterschreiben die Freunde mit „H.V.“ (Hitler verrecke). Sie werden ihm zum Verhängnis. Die Briefe werden gefunden und Werner Schallhammer und seine Freunde Anfang 1944 festgenommen. Wegen sogenannter Wehrkraftzersetzung wird Schallhammer vom Zentralgericht des Heeres zum Tode verurteilt und am 13. März 1945 in der Murellenschlucht in Spandau erschossen.

Judith Auer
Judith Auer

© Privatbesitz

JUDITH AUER (1905–1944), Kauffrau

Sie war mutig und engagiert, das war ihr schon in die Wiege gelegt. Ihr Vater war der Kommunist und Schriftsteller Erich Vallentin. Judith Vallentin wurde 1905 in Zürich geboren und hat sich schon als Studentin dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) angeschlossen. Mit 20 Jahren übernimmt sie die Organisationsleitung einer KJVD-Gruppe in Wedding und tritt zwei Jahre später in die KPD ein. Im Berliner Kabelwerk Oberspree arbeitet Judith Auer, wie sie jetzt heißt, seit den dreißiger Jahren als Einkäuferin. Im Werk sammelt sie Nachrichten und hilft verfolgten Kommunisten. Mit der Widerstandsgruppe um Anton Saefkow kommt sie 1942/43 in Kontakt, leistet Kurierdienste und versteckt Franz Jacob. Am 7. Juli 1944 wird sie festgenommen, am 6. September zum Tode verurteilt und am 27. Oktober 1944 in Plötzensee ermordet. „Ich war der Ansicht, dass ich an der Beseitigung des derzeitigen Regimes in Deutschland mitarbeiten musste ...“, steht im Vernehmungsprotokoll vom Juli 1944.

Johann Maier
Johann Maier

© Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg

JOHANN MAIER (1906–1945), Domprediger

Er war ein gläubiger Mensch, dessen Qualitäten früh erkannt werden. Mit Empfehlung des Bischofs von Regensburg kann er in Rom sein Theologiestudium beenden. 1933 wird er zum Priester geweiht und promoviert. Ab 1940 arbeitet er als Domprediger in Regensburg. Kurz vor Kriegsende, am 22. April 1945, fordert der Regensburger Gauleiter Ludwig Ruckdeschel in einer fanatischen Rede zur unbedingten Verteidigung der Stadt auf. Doch die Bevölkerung spielt nicht mehr mit. Am 23. April versammeln sich immer mehr Menschen vor dem Neuen Rathaus. Johann Maier ist dabei und versucht, die Gemüter zu beruhigen, plädiert für die kampflose Übergabe der Stadt. Noch während der Rede wird er verhaftet und am folgenden Morgen hingerichtet. Er trug das Schild „Hier starb ein Saboteur“. Am 27. April wird die Stadt kampflos den Amerikanern übergeben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false