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Kultur: Dezemberglut

Auktionsrekorde in der Villa Grisebach

Wenn die Herbstveranstaltungen in der Villa Grisebach einen generellen Stimmungspegel indizieren, so steht das Barometer für die anstehenden Dezember-Auktionen im deutschsprachigen Raum im Zeichen eines eindeutigen Hochs. Zum ersten Mal in der Geschichte des Auktionshauses übertrafen die Ergebnisse aller fünf Einzelauktionen den jeweiligen Schätzwert, und das Gesamtjahr schließt mit über 26,2 Millionen Euro ab, was ein Plus von 40 Prozent und damit den bislang höchsten Sprung im Vorjahresvergleich bedeutet.

Allein neun Hammerpreise passierten die Viertel-Millionen-Grenze, und fünf der höchstdotierten Werke wanderten in Berliner Privatsammlungen. Darunter Max Liebermanns „Strandbild mit spielenden Kindern“, das inklusive Aufgeld 576000 Euro erzielte, ein „Stillleben mit Äpfeln und Birnen“ von Karl Schmidt-Rottluff (404000 Euro) und Christian Rohlfs „Rotes Dach“, das mit 369500 Euro einen weltweiten Rekord für den Künstler markiert. Auf das Potenzial des hiesigen Kunststandortes, lässt Bernd Schultz von der Villa Grisebach ohnehin nichts kommen: „Berlin war immer schon besser als sein Ruf. Wir hatten allein zur Berliner Vorbesichtigung in fünf Tagen 2500 Besucher.“

Doch in Zeiten eines globalen Marktes und nicht zuletzt dank der ausgezeichneten Kataloge, deren Rezeption für Liebhaber der Moderne ein Muss darstellt, agiert das Auktionshaus souverän in der internationalen Liga. Zwar fiel die amerikanische Beteiligung dieses Mal erwartungsgemäß marginal aus, dafür haben europäische Bieter umso kräftiger zugeschlagen: Emil Noldes „Sommerglut“ steigerte ein Sammler aus Norddeutschland gegen französische Konkurrenz auf 852 500 Euro. Zwei Schweizer setzten sich bei Alexej von Jawlenskys „Abstraktem Kopf: Geheimnis“ (461500 Euro) und Wilhelm Lehmbrucks „Liegendem Frauenakt“ durch. Die Papierarbeit von 1914/15 kletterte von geschätzten 30000 auf 156750 Euro, und stellt damit einen Rekord für eine Lehmbruck-Zeichnung auf. Einen neuen Höchstpreis für Jawlenskys Werkgruppe der „Abstrakten Köpfe“ bewilligte ein italienischer Saalbieter mit 599500 Euro. Roswitha von Bergmann hatte das „Atonal“ 1980 für 98000 D-Mark erworben. Kräftige Gewinne machte auch der Einlieferer von fünf Arbeiten Eberhard Havekosts. Bereits die 56640 Euro für eine fünfteilige Papierarbeit stellten den bislang höchsten Zuschlag für den Dresdener Jungstar in den Schatten, und das Triptychon „Camouflage“ erzielte mit 59000 Euro einen neuen Bestpreis. Den derzeitigen Run auf die zeitgenössische Kunst bewertet Schultz jedoch mit Skepsis: „Die Luft ganz oben ist sehr dünn.“ In Relation zu einer kapitalen Leinwand Ernst Wilhelm Nays, die bei 200000 Euro nur unter Vorbehalt zugeschlagen wurde, erscheint die Bewertung für wenig mehr als einen halben Quadratmeter Havekost überproportional.

Während das Kölner Kunsthaus Lempertz seine Zeitgenossenofferte mit 718 Losen noch einmal betont, darunter allerdings Werke ab 1949 subsumiert, will das Auktionshaus Grisebach diesem Trend mit kleinen, behutsamen Schritten begegnen. Neben der neu gegründeten „Villa Grisebach Gallery“ sind in Zukunft auch Auktionen mit Werken von Künstlern geplant, die nach 1960 geboren sind. Kunst, die in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden ist, gehört ohnehin zum Grisebach-Programm. Das hat mit einem der besten Jahresergebnisse starken Rückenwind für die Zielgerade zur 125. Auktion im nächsten Juni beschert.

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