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Kultur: Die Arbeiterin

Anne-Sophie Mutter in der Philharmonie

Nanu, hat Anne-Sophie Mutter einen schlechten Tag gehabt? Mit strengem Blick kommt sie in die ausverkaufte Philharmonie und verbeugt sich zunächst nur vor Block A, obwohl hinter ihr fast ebenso viele Zuhörer sitzen. Mit dem Pianisten Lambert Orkis tourt sie durch Europa und spielt ein eigenartig disparates Programm, das die gegensätzlichen Wege aufzeigen soll, die die Violinliteratur in Deutschland und Frankreich im 19. Jahrhundert genommen hat. Bei Debussys Sonate g-Moll, einem seiner letzten Werke, entscheidet sich Mutter für eine fahle und brüchige Tongebung, ein spätimpressionistisches Gemälde aus verbleichten Klangfarben. Mendelssohn Bartholdys F-Dur-Sonate legt sie zunächst fröhlicher und entspannter an, aber die Grimmigkeit kehrt bald zurück.

Natürlich sitzt technisch alles, aber das Spiel entfaltet keine Glanz, der Klang ist ausgehöhlt, die Phrasierung wirkt unentschlossen und improvisiert. Orkis ist ihr dabei ein verlässlicher, aber biederer Partner, der kaum eigene Akzente setzt. Selten verliert sich ein Lächeln auf Mutters Gesicht, Brahms’ dritte Sonate für Violine und Klavier bekommt einen trotzigen „Jetzt erst recht“-Charakter, als handele es sich um einen Job, der eben gemacht werden muss, und in ihrer zornigen Interpretation von Pablo de Sarasates Fantasie über „Carmen“ ist von südländischer Heiterkeit, von Nietzsches „erster Etappe der Heiligkeit“ nichts zu spüren. Selten dürfte eine eigentlich virtuose Künstlerin so wenig versteckt haben, welche harte Arbeit das Violinspiel ist. Trotzdem frenetischer Jubel. Udo Badelt

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