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Kultur: Die Berlin-Krise: Schmerz mit Schnauze

Berlin, Dein Gesicht hat Sommersprossen, und Dein Mund ist viel zu groß - vielleicht hat Hilde Knef in ihrem bekannten Lied schon alles erklärt. Eine Stadt wie keine andere, rauh und protzig, aber pfiffig, eine Liebeserklärung wert wie New York oder Chicago?

Berlin, Dein Gesicht hat Sommersprossen, und Dein Mund ist viel zu groß - vielleicht hat Hilde Knef in ihrem bekannten Lied schon alles erklärt. Eine Stadt wie keine andere, rauh und protzig, aber pfiffig, eine Liebeserklärung wert wie New York oder Chicago? Oder doch nur eine Stadt in Deutschland wie viele andere, wie eben gerade am Aufstieg und Fall Landowsky zu erleben?

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Vielleicht geht es, um nach der Geschichte um Klaus Landowsky politisch zu bleiben, bundespolitisch, der SPD mit Berlin so wie der CDU mit, sagen wir, Köln. Der Vergleich bietet sich deshalb an: Klüngel, wie wir sehen, gibt es in beiden Städten. Auch Köln nennt sich Metropole, liegt an einem großen Fluss, wird von Medien belagert. Selbst preussisch war das alte Cöln auch mal. Und in der Zeit der Stadterweiterung (als in Berlin Bismarck regierte) war einer Oberbürgermeister, den sie den "roten Becker" nannten - auch wegen seiner "kommunistischen Vergangenheit". Das nur am Rande.

Die Christdemokraten hatten in Köln den großen Konrad Adenauer als Oberbürgermeister, ehe ihn die neuen Bundesdeutschen als ersten Bundeskanzler bekamen. Einen Kanzler, der heute über alle Grenzen hinweg unbestritten ist, nicht zuletzt wegen seiner Politik der Westbindung. In Berlin war Willy Brandt für die Sozialdemokraten Regierender Bürgermeister, der neben Kennedy und Adenauer eine gute Figur machte, ehe er der westdeutsche Kanzler wurde, der für seine Ostpolitik den Friedensnobelpreis erhielt. Und was nach diesen beiden kam, hatte es naturgemäß schwer.

Köln war für die CDU lange Diaspora, so wie für die SPD jetzt eben Berlin. In Köln regierten Jahrzehnte die Sozialdemokraten, die Christdemokraten schauten zu. Oder machten in einer Art rheinischer großer Koalition mit. Große, wenigstens einigermaßen bekannte Namen als Oberbürgermeister-Kandidaten? Von denen gab es keinen, auch nicht Jürgen Rüttgers, der spätere Zukunftsminister, den Kohl so mochte. Das währte, bis der Sumpf zu tief wurde, bis der ausersehene Spitzenmann der regierenden Partei darin versank und Harry Blum von der CDU zum Oberbürgermeister wuchs. Er starb sehr früh, aber auch die Nachwahl haben die Christdemokraten gewonnen.

Berlin war anfangs auch lange Diaspora, für die christdemokratische (stark katholisch geprägte) CDU. Was dann kam, wie es in dieser Stadt zum Machtwechsel kam - das ist eine andere Geschichte. Mit Eberhard Diepgen wurde aber eines auch nicht besser: Kanzler Kohl nahm ihn als Regierenden nicht recht wahr. Er war Kohl zu blass. An der kritischen Sicht hat sich in der Bundes-CDU wenig geändert. Nur hält sich Diepgen mit diesem Urteil in der Spitze bis heute.

Heute ist Gerhard Schröder zwar sozialdemokratischer Bundeskanzler und, wie weiland Brandt, SPD-Parteivorsitzender. Aber aus der Berliner Stadt-Politik hält er sich lieber raus; bis vielleicht auf die Tatsache, dass er sich ab und zu mit seinem alten Freund Klaus-Uwe Benneter zum Essen trifft. Oder dass er den in der Stadt einstmals ziemlich großen Dietmar Staffelt mit seiner Aufmerksamkeit bedenkt, sodass der im Bundestag wenigstens wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion wird.

In der Großen Koalition in der Stadt Berlin ist die SPD der kleinere Partner, der aber immer kleiner wird. Nach Hans-Jochen Vogel und Hans Apel ist auch kein Großer der sozialdemokratischen Politik mehr für die Partei hier angetreten. Die SPD wirkt inzwischen ins Klein-Klein verstrickt. Eine realistische Machtalternative sieht Schröder, sehen auch seine Strategen im Willy-Brandt-Haus (noch) nicht. Der Fall Landowsky, der wird schon verfolgt. Aber Ratschläge gibt es offiziell nicht. Höchstens bei einem Essen. Mit dem Sprecher der Bundespartei. Den Rest sollen die Berliner regeln: Erstmal soll sich Peter Strieder als SPD-Vorsitzender im Dickicht der Großstadt behaupten. Und am besten soll der Spitzenmann der CDU im Sumpf versinken. Dann kann was Neues wachsen. Wie in Köln.

Und trotz alledem ist Berlin unvergleichlich, ist diese Stadt die erste unter Gleichen: weil sie die Bundeshauptstadt ist. Mag West-Berlin die Sonderrolle verloren haben und es "Berlin, Hauptstadt der DDR" nicht mehr geben; mögen die Senatoren jetzt nicht mehr von allen erkannt werden und am ersten Tisch der Macht sitzen; mag die Stadt auch bei den Finanzen nicht mehr auf eine Sonderbehandlung pochen können - sie ist größer als jede andere in Deutschland. Wie ihr Mund. Aber das wissen wir ja schon.

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