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Kultur: Die Bösen sind dieBush-Männer Michael Moore rechnet ab mit Amerikas „Stupid White Men“

Der Mann ist wütend. Er ist sogar sehr wütend.

Der Mann ist wütend. Er ist sogar sehr wütend. Mit nadelspitzer Feder piekt und piesackt Michael Moore („Downsize This!“), 1996) in seinem neuen Buch die „dreisten, rechten Heuchler“ der amerikanischen Politik, die „reichen Säcke“ und den „K-A-P-I-T-A-L-I-S-M-U-S“. Die Erde bebt, wo der schwergewichtige MM hintritt. Er schleudert seinen Hass auf das Land heraus, das er liebt. Er ist ein Moralist. Und wie viele Moralisten ist er auch ein Utopist. Moore spielt den Anwalt der Armen und Entrechteten. Ein witziger Querulant und Quertreiber. „Die Bösen sind nur eine Bande blöder, dummer weißer Männer“, sagt er.

Michael Moore muckt auf. Er will seine Leser inspirieren, „Krawall zu schlagen“. Er gibt Handlungsanleitungen zum Gegenschlag. Dabei kommt eine Haltung zum Vorschein, die seit Henry David Thoreau eine amerikanische Tugend ist: der zivile Ungehorsam. Michael Moore betreibt linken Populismus im besten Sinne: mit Humor. Sein Held ist der grüne Verbraucheraktivist Ralph Nader, dieses „griesgrämige Genie“.

Wie man es aus seinen fulminanten Dokumentarfilmen „Roger and Me“, „The Big One“ und ab nächster Woche auch „Bowling for Columbine“ kennt, bringt sich Moore immer wieder selbst ins Spiel. Er tut es mit entwaffnender Ehrlichkeit. Er erzählt von den Demütigungen, die er durch die Familie Bush erfahren hat, und streut in einem Nebensatz ein, dass er zuviel Fast Food verschlingt. Sein Text ist fast durchgehend umgangssprachlich: Er schreibt, wie er spricht, mit Auslassungszeichen, Redundanzen, Füllwörtern und Wendungen an die Leser.

Moore adressiert Briefe an Bush und Arafat. Er imitiert Lifestyle-Magazine mit ihren wohlfeilen Empfehlungslisten. In einem Gebet wünscht er mit heiligem Zorn den „Reichen und Mächtigen“ Pest und Cholera an den Hals, weil nur die Opferposition ihre Meinungen ändern könnte: „Wir bitten Dich, unseren liebenden Vater, jeden Senator aus dem Süden drogensüchtig zu machen, damit er selbst sein Leben lang hinter Gittern verbringen muss.“

Das Buch ist ein sarkastisches Lamento, über den Zustand der USA. Ein Buch, fast wie im Affekt geschrieben. Und dennoch kühl recherchiert. Moore nennt erschreckende Beispiele von staatlichem Rassismus und Justizirrtum, von Umweltzerstörung und Misogynie, von außenpolitischem Hochmut und grassierender Volksverdummung. Amerika wird bei ihm zur „Bananenrepublik“, ein Wort, das der amerikanische Schriftsteller Eliot Weinberger kürzlich in „Lettre International“ für sein Land gebrauchte.

Mit jeder Seite, jedem Satz, jedem Wort wächst das Unbehagen des Lesers. Unbehagen nicht an Amerika (hier geht es nicht um Anti-Amerikanismus) sondern an den US-Regierungen. Regierungen – der Plural ist wichtig. Denn der deutsche Untertitel „Eine Abrechnung mit dem Amerika unter George W. Bush“ ist eine Vereinfachung des Verlages, mit der er vom Bush-Bashing profitieren will. Moore wütet zwar gegen „Georgie-Boy“, den „Schwachkopf“ und „Tölpel“. Aber sein Urteil über die Clinton-Regierung ist kaum weniger scharf: „Bush ist nur die hässlichere und ein wenig fiesere Version dessen, was wir in den Neunziger Jahren die ganze Zeit über erlebten – mit dem Unterschied, dass es uns damals mit einem charmanten Lächeln präsentiert wurde.“ Moore schildert die Demokraten als windelweiche Verschleuderer moralischer Überzeugungen, die während der Boomjahre „für die Reichen die größte Orgie in der Geschichte“ veranstaltet hätten. Bush sei nur die logische Fortsetzung Clintons.

In den USA war das Buch, das der Piper Verlag mit Höchstgeschwindigkeit – und entsprechender Fehlerquote – herausgebracht hat, ein überragender Erfolg. Im Februar 2002 erschienen, stand es 32 Wochen lang auf der Bestsellerliste der „New York Times“. 500000 Exemplare wurden bisher verkauft. Das Buch, vor dem 11. September fertiggestellt, richtet einen Flammenstrahl in die patriotische Kuschelecke. Gut zu wissen, dass es auch für so etwas noch ein Publikum gibt.

Michael Moore: Stupid White Men. Eine Abrechnung mit dem Amerika unter George W. Bush. Übersetzung von Michael Bayer u.a., Piper Verlag, München 2002, 329 Seiten, 12 €.

Julian Hanich

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