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Kultur: Die Botschaft der Dinge

Die Jugendtheatergruppe „Die Spielwütigen“ mit „Lost Something“ im T-Werk

Natürlich verliert jeder mal etwas, zum Beispiel Schirm, Charme oder Melone. Es könnte aber auch eine geheimnisvolle Jacke sein, ein Clownskostüm, ein Kleid oder gar eine lebensgroße Puppe. Jedes Ding hat seine eigene Geschichte – des Gebrauchs, des Verlierens und Wiederfindens. Und trotzdem hängt alles sehr geheimnisvoll zusammen. Wer hier Anfang und Ende zusammenknüpfen kann, hat vielleicht sein Glück gefunden. Wie sonst sollte man sich erklären, dass in diesem Fundbüro namens „Lost Something“ der Vater einer Tochter anruft, die von einem Vater nicht weiß, eine Kiste mit sonderbaren Utensilien auftaucht, vor der die Betreiberin Valerie Angst zu haben scheint, das Clownskostüm einen Witz erzählt, der unbedingt an eine fremde Frau weitergegeben werden soll, und die Jacke energischst durchsucht zu werden verlangt? Die Dinge leben, sie haben, wie alles in der Welt, miteinander zu schaffen, verbergen sogar eine Botschaft. Wer sie entschlüsselt ... aber das wussten ja bekanntlich schon die alten Wüstenbewohner.

Sechs Darstellerinnen einer „Spielwütigen“ Potsdamer Jugendtheatergruppe zeigen dieses poetische Stück „Etwas verloren“ derzeit im T-Werk. Yasmina Ouakidi hat es notiert und auch in Szene gesetzt. Für diese einstündige Off-Inszenierung werden lediglich vier türbogenartige Blenden und ein paar Versatzstücke gebraucht. Alles andere müssen Alice Haseloff, Emma Charlott Ulrich, Fiona Uhlig, Dominique Bergemann, Aileen Lenk und Carlotta During aus sich selbst heraus produzieren. Es war zwar so viel Besuch nicht da am sonnenstrahlenden Wochenende, wer diese schöne Arbeit aber „trotzdem“ sah, der spürte bald, wie sehr die Poesie nach dem eigenen Wesen zu greifen vermag.

Da gibt es zum Beispiel eine Kette. Als Glücksbringer hilft sie stets dem Bedürftigsten, muss aber immer auch weitergegeben werden. Da gibt es die Putzhilfe Frieda, die sich ein wenig dumm stellt, da will die Büroinhaberin Valerie um jeden Preis verdrängen, was in Gestalt dieser Kiste als Erinnerung zu ihr zurückkehrt. Leider ist ihre Spielweise teils äußerst pressiert, da kommt weniger über die Rampe, als man erhofft hatte.

Es ist ein Stück über das Eingedenken, über die Kraft und Macht der Dinge, welche Erinnerung haben und Erinnerung bergen, ist ein bisschen Krimi, ein bisschen „Beziehungskiste“ aus der Sicht von 16- bis 18-Jährigen. Jeder hat irgend etwas verloren, jeder sucht etwas in seinem Leben, bei Valerie ist es die früh verstorbene Schwester. Es war wirklich verblüffend, wie ganz banale zwischenmenschliche Situationen (Mann verlässt Frau – Tochter sucht ihren Vater) plötzlich Poesie freisetzen. Das geht nur, weil sie dort drin enthalten ist. Am Schluss passt wirklich alles zusammen, die Jacke, das Kostüm, die Puppe mitsamt dem menschlichen Gefüge. So überzeugend dieses Stück nun im Publikum nach dem Innersten greift, so ist an ihm selbst noch ein wenig zu tun. Im ersten Teil droht die schrille und übermäßig gedräute Sprache alle Atmosphäre zu ersticken, auch ist am actio-reactio-Gefüge der Szenen noch manches möglich. Zum Spiel gibt es eine phantastische Musik, Filmprojektionen nach dort, wo die jungen Damen ihre Füße hinsetzen. Diese phantasievolle Inszenierung wird manch einem helfen, überhaupt erst mal zu erkennen, dass da etwas verloren und also zu suchen ist – wenn nicht im Fundbüro, so doch im Leben. Und das ist heute schon viel. Oder noch?

Nächste Vorstellungen: Heute (28.) um 11 Uhr, Di. u. Mi. 11 Uhr, T-Werk, Schiffbauergasse. Karten unter Tel. 0331-719139.

Gerold Paul

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