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Kultur: Die Botschaft kommt rüber

Der internationale Kulturaustausch mit Berlin braucht Hilfe vom Ausland: Ein Rundgang mit Diplomaten durch Galerien und Werkstätten

Zum Schluss ein Toast auf Berlin und seine Künstler. Ja, wenn die Künstler nicht wären, dann sähe es traurig aus um diese Pleite gegangene Stadt. Jörg-Ingo Webers Miene wechselt bei diesen Worten zwischen kummervoll und hoffnungsfroh. Sie passt wohl auch zu seiner eigenen Gemütsverfassung, denn der Referatsleiter für Internationalen Kulturaustausch in der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur geht bald in den Ruhestand – seine Stelle wird nicht wieder besetzt. Aus Ersparnisgründen. Da müssen sich dann Wege für den Kulturaustausch von selbst finden. So prostet Weber den jungen Leuten besonders aufmunternd zu. Sie haben die Initiative „Impuls für Kunst" gegründet, ein Selbsthilfeprojekt, das zwei Tage lang dreißig Botschaftsangehörige durch Berlin zu Ateliers und Ausstellungsstätten karrt, um Kontakte vorzubereiten, einzufädeln. So könnte es gehen – in Zukunft.

Ein gesponserter Partybus der BVG schuckelt die kleine Gesellschaft kreuz und quer von Kreuzberg nach Friedrichshain, von Neukölln nach Mitte, vom Wedding nach Treptow. Nicht, dass sie sich nur auf eigenen Kunstempfängen begegnen, aber für die Kulturattachés Frankreichs, Finnlands und der Schweiz dürften die meisten angesteuerten Orte terra incognita sein. Sicher, von der Fülle der Möglichkeiten habe man gewusst, aber nicht geahnt, was sich hinter dem Pfefferberg oder der Kunstfabrik am Flutgraben verbirgt. Das Motto der Expedition könnte also auch lauten: „Wenn der Pfefferberg es nicht zu den Botschaften schafft, müssen die Botschafter eben zum Pfefferberg geschafft werden". Die Teilnehmer sind entsprechend bewaffnet mit Block, Bleistift und jeder Menge Visitenkarten. Networking heißt das Gebot der Stunde. Und sogleich erkundigt sich Herr Cheng, Leiter der Kulturabteilung in Taipehs Berliner Landesvertretung, bei der Neuköllner Kulturamtschefin nach den Ausstellungsmöglichkeiten in ihrer Galerie. Klar, immer willkommen.

„Die strukturellen Möglichkeiten sind viel zu wenig bekannt. Dabei ist Berlin die Produktionsstätte für Kunst in Deutschland", sagt Maximilian Müllner. Mit seinem Verein „Studios for Artists", der neben dem Goethe Institut, Bildungswerk und Kulturwerk des Berufsverbandes Bildender Künstler, der Internationalen Gesellschaft der bildenden Künste und dem Kulturbüro City-West zu den Gründern der Initiative „Impuls für Kunst" gehört, will er Abhilfe schaffen. Die Kunstwelt liegt einem in Berlin zu Füßen, nur zugreifen muss jeder selbst.

Ein wenig klingt das auch so bei Jan Maruhn, dem Leiter der Bildhauerwerkstatt in der Osloer Straße. Fantastische Möglichkeiten bieten sich in den Räumen der ehemaligen Tresorfabrik. Metall-, Gips- und Formwerkstätten mit Arbeitsgerät gibt es hier, dazu den größten Ofen für künstlerische Keramik in Berlin. Stars wie Anthony Caro und Armando haben hier schon gewirkt. Aber auch weniger Bekannte dürfen kommen, wenn sie es denn bezahlen können. Aha. Vielleicht haben ja Island oder Kanada gelegentlich einen Bildhauer unterzubringen.

Doch ganz so einfach geht das auch für die Botschafter nicht. Zwischen zwei Stationen erzählt Brigitte Tovburg Jensen, Kulturattaché der Dänemarks, dass die viel gepriesene public diplomacy in der Praxis noch nicht angekommen sei. Als neuester Trend beschworen – mit Kultur als schmückendem Beiwerk – gelten nach wie vor die Regeln der traditionellen Diplomatie. Gewiss, das Areal der Nordischen Botschaften gilt als architektonisches Juwel, aber ein Konzept für das Innere, für die Ausstellungsräume fehlt bislang. Letztlich spielen Kontakte zur Politik und Wirtschaft für den Außenhandel eine größere Rolle.

Das hört Benno Löning nicht gerne. Denn die Kunstexpedition für Botschaftsangehörige ist auch dazu gedacht, das von ihm begründete „international studio program" vorzustellen. Noch existieren seine fünfzehn Ateliers nur auf dem Papier – ausgetüftelt bis zu den Dusch-, Küchen- und Ausstellungsräumen. Sie sollen bis 2004 in einem Querriegel der ehemaligen Pfefferberg- Brauerei in Prenzlauer Berg entstehen, wo bereits die Galerien Akira Ikeda und Rafael Vostell residieren. Das würde ganz dem Credo von Gerd Harry Lybke von der Galerie Eigen + Art entsprechen, wo die Busgesellschaft kurz zuvor noch gehalten hatte. Arbeiten und Ausstellen gehören für den Galeristen seit jeher zusammen, weshalb er seine Künstler in Studios auf sechs Etagen gleich hinter den Ausstellungsräumen untergebracht hat. Er grinst verschmitzt, als er sich für die geringen Transportkosten begeistert. Auch sonst lauschen die Kulturattachés aus Österreich, Belgien und Israel dem Leipziger eher ungläubig, nie ganz sicher, ob er wirklich meint, was er sagt. Lybke lobt nämlich Berlin ausgerechnet dafür, dass es gar nicht Hauptstadt-mäßig sei, eher wie ein Dorf oder noch besser: wie ein Kindergarten.

Warum auch immer, Berlin zieht an. Davon ist Atelier-Initiator Löning überzeugt. Zwar gibt es schon artist-in-residence-Programme im Bethanien und Podewil, aber es wollen auch immer mehr Künstler hier arbeiten. Lönings Idee soll sich durch die Länder tragen, die ihre Künstler in ein Studio entsenden. Die Vertreter von Tschechien, Katalonien, den Niederlanden nicken erst einmal freundlich. Sicher, das wäre eine feine Sache. Für alle Beteiligten. Denn das weiß hier jeder: Ohne internationale Künstler keine Kapitale. Darauf noch einen Toast.

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