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Gruppenfoto auf dem Heldenfriedhof. Der Ingenieur Ri Ju Hyok mit Großmutter Ri Ok Hee und seiner Schwester Ri Ok Kyong in Uniform.

© Farbfilm/ dpa

Die Doku "Meine Brüder und Schwestern im Norden": Das Kollektiv tanzt

Die südkoreanisch-deutsche Filmemacherin Sung-Hyung Cho hat es geschafft, in Nordkorea drehen zu dürfen: Jetzt kommt ihr sensibler Dokumentarfilm "Meine Brüder und Schwestern im Norden" ins Kino.

Disneyworld in Pjöngjang: Der Wasservergnügungspark Munsu mit seinen Röhren- und Slalomrutschen in Knallrotgelbblau, XXL-Pools und Plastikskulpturen ist gigantisch. Der „Führer“ persönlich hat die Baustelle überwacht, sagt der junge Ri Ju Hyok, der für die Elektronik der Anlage zuständig ist. Und dass Bikinis verboten sind, damit die feindliche Ideologie nicht das Land unterwandert.

Seine Schwester wird nach ihrem zehnjährigen Militärdienst befragt: Ist es ein bisschen wie Taekwondo? Sie bestätigt es mit derart zerbrechlicher Stimme, dass man fast Angst um sie bekommt. Die Zöglinge der internationalen Fußballschule spielen Ball auf einem Bilderbuchrasen vor einem Bilderbuchschulgebäude, und nein, sie haben kein Heimweh, denn es gibt Snacks zwischen den Mahlzeiten und überhaupt viel zu essen. Daheim ist das oft anders.

Wie dreht man einen Dokumentarfilm in Nordkorea? Mit staatlicher Überwachung, anders geht es nicht. Die gebürtige Südkoreanerin Sung-Hyung Cho lebt in Frankfurt am Main, sie hat in Deutschland studiert und sich mit etwas anderen Heimatfilmen einen Namen gemacht. Mit „Full Metal Village“ über die Bauern im Heavy-Metal-Festivaldorf Wacken zum Beispiel oder mit „Endstation der Sehnsüchte“ über ein deutsches Rentnerdorf auf der südkoreanischen Insel Namhae. Auch eine Doku über die deutschen WM-Fußballerinnen hat sie realisiert. Um in Nordkorea drehen zu können, nahm sie die deutsche Staatsbürgerschaft an und gab die koreanische auf. Nur so erhielt sie eine Einreiseerlaubnis.

Sung-Hyung Cho ist Spezialistin für die Normalität des Skurrilen. Sie nimmt es als Selbstverständlichkeit in den Blick, ob es nun der Milchbauer als Heavy-Metal-Gastgeber ist oder die nordkoreanische Näherin, die in der Kleiderfabrik Pausen-Aerobic betreibt. Eine heitere Musical-Choreografie in bunter Arbeitsmontur – und schon wird im Akkord weitergenäht.

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Andere Nordkorea-Filme suchen das Dissidentische im Verborgenen, den wahrhaftigen Moment, der sich staatlicher Kontrolle entzieht. Oder sie inszenieren die Selbstinszenierung des Regimes und stellen sie bloß. „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ zeigt das Land lieber von seiner schönsten Seite – und unterläuft die Propaganda, nicht indem sie nach der unterdrückten Wahrheit sucht, nach Gewalt, Armut, Hunger. Sondern indem sie die arrangierten Begegnungen sorgsam ins Bild setzt, geduldig ihre Oberfläche betrachtet, bis diese ihre eigene Wahrheit preisgibt.

Allein die Landschaften sind von erschütternder Schönheit, weil unberührt von der Moderne. Der offiziell tätige Kunstmaler erklärt bereitwillig, warum er das Gesicht der abfotografierten Arbeiterin gegen ein hübscheres eintauscht: Wer will schon Hässliches sehen. Und das Bauernkollektiv führt stolz seinen einzigen Mähdrescher vor, weil es nicht weiß, wie veraltet der ist. Nur wenn die Kindergartenkinder beim Hüpfwettbewerb tapfer die Hände hochwerfen, stehen die Kleinsten betreten daneben. Im Takt springen, das können sie noch nicht.

Das Stereotyp vom Schurkenstaat Nordkorea prallt an diesem Film ab

In den karierten Baumwollhemden der Kleiderfabrik sucht die Filmemacherin vergeblich nach „Made in Korea“-Schildchen. Die Ware wird, kaum zu glauben, über China in die USA exportiert. Und die meisten Gesprächspartner, nach ihren Träumen gefragt, schwärmen nicht nur von Marschall Kim Jong-un, sondern wünschen sich die Wiedervereinigung. Auch das passt nicht ins westliche Bild von der nordkoreanischen Hölle.

Es gibt Höllen, in denen scheint die Sonne, und es wird fröhlich getanzt. Die Näherin möchte später Entwerferin werden, Wörter wie Mode oder Design hat sie noch nie gehört. Es ist die Unwissenheit in diesem vom Rest der Welt abgeschotteten Land, die einen beschämt. Das Stereotyp vom Schurkenstaat prallt daran ab.

OmU. In Berlin in den Kinos Central, Eiszeit, Filmkunst 66, Krokodil, Moviemento, Tilsiter-Lichtspiele

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