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Kultur: Die Donnervogelfrau

Selten sind Buch-Veröffentlichungen Anlaß, prominent besetzte Podiumsdiskussionen zu veranstalten.Es sei denn, es handelt sich um einen Skandal.

Selten sind Buch-Veröffentlichungen Anlaß, prominent besetzte Podiumsdiskussionen zu veranstalten.Es sei denn, es handelt sich um einen Skandal.Winona LaDuke hat mit "Last Standing Woman" (Frederking & Thaler Verlag, München 1998, 39,90 DM) alles andere als ein skandalöses Buch geschrieben.Die aus Minnesota stammende indianische Autorin erzählt in ihrem ersten Roman die Geschichte ihres Volkes, der Chippewa-Indianer, die im "White Earth"-Reservat um ihre Heimatrechte kämpfen.Es ist eine Geschichte voller Demütigung, Enteignung und Gewalt.Aber sie enthält auch Hoffnungszeichen, die zeigen, daß der Kampf um das eigene Land nicht vergeblich sein muß.

Die indianische Saga im Ursprungsdelta des Mississippi wird besonders von drei Frauenfiguren geprägt, die durchsoziales Engagement und ungewöhnliche Ausdauer ihrem Volk Halt verleihen: als Frauen, "die bis zum Ende stehen bleiben".Unter diesem Motto wurden Winona LaDuke, die 1994 vom "Time Magazine" zu den 50 bedeutendsten Führungspersönlichkeiten unter 40 Jahren gezählt wurde, im Haus der Kulturen der Welt drei Frauen aus anderen Kulturkreisen zur Seite gestellt, die auf ähnlich drastische Erfahrungen zurückblicken.Mit der Tibeterin Jetsun Pema verbindet LaDuke das Schicksal der Vertreibung und Entwurzelung.Denn die Schwester des Dalai Lama, die von irischen Nonnen aufgezogen wurde, lebt seit der Besetzung Tibets durch chinesische Truppen im indischen Exil, wo sie sich einem Bildungsprogramm für tibetische Kinder widmet.Auch sie will, daß die ihrer Heimat beraubten Tibeter eine moderne Schulausbildung erhalten, ohne auf ihre starken kulturellen Traditionen verzichten zu müssen.Mit der aus Äthiopien stammenden Almaz Böhm hat LaDuke das Interesse für wirtschaftliche Zusammenhänge gemein.Denn wie die Harvard-Absolventin setzt sich die Viehzuchtexpertin und Ehefrau von Karlheinz Böhm seit Jahren für eine wirksame Modernisierung des äthiopischen Ackerbaus ein.Mit Monika Griefahn schließlich teilt LaDuke das Engagement für Greenpeace, wo sie seit 1991 im Vorstand sitzt.Bereits als Schülerin hatte die mit dem Namen "Donnervogelfrau" gerufene Indianerin die Entdeckung gemacht, daß 75 Prozent der amerikanischen Uranvorkommen unter indianischem Boden lagen und die Arbeit in den Bergwerken einem Völkermord gleichkam.In der Anti-Atombewegung sah sie die Chance, den Protest kulturübergreifend zu organisieren.

In dieser Runde war kaum Platz für theoretische Emanzipations-Debatten.So waren sich die Anwesenden einig, daß die Frage, wie kulturelle Identitäten gegen die Übermacht von globalen Marktinteressen geschützt werden, automatisch alltagspraktischen Erwägungen folgt.Es sind die einfachen Werte eines multikulturellen Humanismus, für die sich die Frauen stark machen.Womit sie die Hoffnung verbinden, daß sich die soziale Kompetenz und das umfassende Verantwortungsbewußtsein der Frauen gegen die irreversiblen Ausbeutungssysteme durchsetzen werden.So prophezeite Griefahn ein "weibliches Jahrtausend".Ein großes Wort angesichts der bescheidenen Zurückhaltung, mit der LaDuke, Pema und Böhm von ihrer erfolgreichen Arbeit berichteten.

KAI MÜLLER

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