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Kultur: Die Dresdner Bank zeigt die Werke des Hofzeichners Kaiser Wilhelm II

Was ist ein Bildhauer ohne Marmor? Johann Gottfried Schadow, Hofbildhauer König Friedrich Wilhelms II.

Was ist ein Bildhauer ohne Marmor? Johann Gottfried Schadow, Hofbildhauer König Friedrich Wilhelms II., musste die Abhängigkeit von der Gunst seiner Auftraggeber im Laufe seines langen Lebens (1764-1850) schmerzlich erfahren: Schon unter Friedrich Wilhelms Sohn Friedrich Wilhelm III. kamen andere, modischere Bildhauer zu Ruhm. Zwar nicht die Ehrungen, aber die Aufträge blieben für Schadow aus, und so war der Mann, der 35 Jahre lang die Geschicke der Berliner Akademie der Künste lenkte, auf anderweitige Betätigungen angewiesen.

Ein Glück daher, dass er Zeit seines Lebens auch andere Kunstformen gepflegt hatte. "Zu Marmor kommt der Künstler nicht immer, zu einem Skizzenblock dagegen schon" bemerkte Akademiepräsident György Konrßd zur Eröffnung einer Ausstellung im Foyer der Dresdner Bank, die Schadows Zeichnungen gewidmet ist. Über 2500 von ihnen hat der Künstler angefertigt - "ein Tagebuch in Form von Zeichnungen", wie Konrád es nennt -, knapp die Hälfte davon, rund 1200 Blatt, lagern im Archiv der Berliner Akademie der Künste, die mit dieser kleinen Ausstellung nur ein Bruchstück ihres Reichtums preisgibt.

Zu diesem Bestand gehören die Zweckzeichnungen, die Schadow in seiner Funktion als Bildhauer anfertigte: Entwürfe für Denk- und Grabmäler, Zeichnungen der Friese, die das Berliner Stadtschloss und Schadows eigenes Haus schmückten, und, natürlich, als Vorarbeit zur Quadriga, Pferde in allen Ansichten und Ausschnitten. Spannender aber sind die Gelegenheitszeichnungen aus dem Berliner Alltag: Lockere Gesellschaftsskizzen der Berliner Society gegen Ende des 18. Jahrhunderts. "Mit spitzer Feder, leicht und rasch eingesetzt", wie Hugo von Tschudi es nannte, wirft Schadow Beobachtungen aufs Papier, physiognomische Studien bis an die Grenze zur Karikatur, mit spitzer Nase, energischem Kinn und, wie im Fall Fichte, geckenhaftem Auftreten. Eine lockere Skizze während eines Pianokonzerts entlarvt die Zuhörer als dumme Dämchen und grimmige Herren, zeugt aber auch von einer gewissen Zerstreutheit des Herrn Akademiepräsidenten. Und im Tiergarten sitzen zwei allerliebste Berliner Damen traulich unter einem Baum und stricken und lesen.

Einer dieser Zeichnungen, der "Kaffeevisite" von 1794, wurde ein besonderes Schicksal zuteil. Weil die traute Teestunde im Hause Schadow neben dem Hausfreund Johann Andreas Schlegel auch ein Ehepaar Abramson verzeichnet, wiesen die Nationalsozialisten das für eine Ausstellung schon bestellte Bild wieder zurück. Jetzt aber gebührt ihm dafür ein Ehrenplatz - auch, weil es ein äußerst lebendiges Abbild der ersten Ehefrau Schadows bietet: Jener schwarzäugigen Marianne Devidels, Tochter eines Wiener Juden, laut Konrád "älter als er, von üppiger Schönheit, mit verständigem Blick", die Schadow im Salon der Henriette Herz kennenlernte und derentwegen er Berlin und seine vielversprechende Stellung fluchtartig aufgab, um nach Rom zu reisen.

Zwei Perspektiven werden die Dresdner Bank am Pariser Platz bewogen haben, die Ausstellung "Schadows Berlin. Zeichnungen von Johann Gottfried Schadow" in ihren Räumen zu präsentieren: Einmal der tägliche Blick hoch zum Brandenburger Tor, auf dem unübersehbar Schadows Meisterstück, die Quadriga, prangt. Und dann der Blick quer über den Platz dorthin, wo 2001 die Berliner Akademie der Künste in Günter Behnischs elegantem, wenn auch umstrittenen Glas-Neubau wieder an ihren angestammten Platz zurückkehren soll. Eine Form der Nachbarschaftspflege, die nach diesem ersten noch zwei weitere "Akademiefenster" zum Pariser Platz hin öffnen soll. Und dabei den Blick auf ein Berlin lenkt, das damals, wie heute, im Aufbau begriffen war.Bis 26. November, Dresdner Bank, Pariser Platz 6, täglich 12 bis 18 Uhr, Eintritt frei. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

Christina Tilmann

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