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Kultur: Die Einheizer

Geschafft! Christie’s und Sotheby’s knacken bei den New Yorker Auktionen die Milliardengrenze.

Der Totalerfolg der New Yorker Auktionen mit zeitgenössischer Kunst bestätigte diese Woche eine alte Kunstmarkt-Weisheit: Das Angebot macht den Markt und treibt Preise wie Nachfrage. Was zum Verkauf kam, erwies sich als unwiderstehlich. Nachdem man zuvor bei den Moderne-Auktionen das eher durchschnittliche Angebot, die überhöhten Schätzungen und preisbewusste Kundschaft beklagte, wurde nun alle Vorsicht und Zurückhaltung in den Wind geschlagen. „Dies war der Beweis, wie quicklebendig und gesund der Kunstmarkt heute ist“, freute sich Auktionator Tobias Meyer. Sotheby’s stellte mit einer Abendkasse von 375 Millionen Dollar einen Hausrekord auf, der allerdings von Christie’s mit 412 Millionen Dollar in den Schatten gestellt wurde. Insgesamt kosteten 16 Kunstwerke über zehn Millionen Dollar, es hagelte Rekordpreise für Künstler aller Couleur, die Rückgänge waren lächerlich gering – acht Prozent bei Christie’s, 16 Prozent bei Sotheby’s, und Kunst für weit über eine Milliarde Dollar wurde verkauft.

Unterstützt von Altsammlern, die den sprühenden Markt für Gewinnmitnahmen nutzen und starkes Material in die Auktionen gaben, hatten die Häuser das Beste vom amerikanischen Expressionismus bis zur Pop Art im Angebot. „Wir haben in dieser Auktion eine Vielzahl von Werken der höchsten Qualitätsstufe geboten, um unserer internationalen Kundschaft die Suche nach Ikonen zu erleichtern“, schwärmte Christie’s Contemporary Chef Brett Gorvy.

Toplos mit einem Preis von 75 Millionen Dollar war Mark Rothko bei Sotheby’s. „No.1 (Royal Red and Blue)“ ist ein Luxusformat von 2.90 Metern, das 1954 in Rothkos entscheidender Ausstellung im Art Institute Chicago gezeigt wurde. Seit 1982 war es in der amerikanischen Privatsammlung Anne und John Marion. Erst im Frühjahr hatte Rothko einen Rekordpreis von 87 Millionen Dollar eingespielt – kein Wunder, dass die Schätzung von 35-50 Millionen Pfund weit übertroffen wurde.

Die Amerikaner der ersten Nachkriegsgeneration gaben bei Sotheby’s den Ton an: Jackson Pollocks 76 x 63 cm großes Drip-Painting „Number 4, 1951“ brachte mit 40 Millionen Dollar einen Rekordpreis – was da wohl ein großes frühes Format kosten würde, käme es je auf den Markt! Der Pollock stammte aus der Sammlung Sidney und Dorothy Kohl – eine Gruppe amerikanischer Expressionisten, die über 100 Dollar einspielten. Darunter waren ein abstraktes Bild von Willem de Kooning für 19,6 Millionen Dollar, ein rares Bild von Clyfford Still und Franz Klines „Shenandoah“, das 9,3 Millionen Dollar brachte. Ein Rekord, der am nächsten Tag bei Christie’s allerdings dramatisch mit einem Höchstpreis von 40 Millionen Dollar für eine doppelt so große, prägnante „Black and White“-Abstraktion übertroffen wurde. Francis Bacons Papstbild brachte nach einer Telefonschlacht 29 Millionen Dollar. Der zweite große Block der Woche waren Arbeiten von Andy Warhol. Seit Jahren gab es keine so guten Warhols in solcher Fülle. Bei Sotheby’s bildete eine Gruppe „Desaster“-Bilder den Schwerpunkt. Der Kunstberater des reichsten Franzosen und Christie’s Besitzer Francois Pinault, Philippe Segalo, bezahlte für Warhols „Suicide“ die doppelte Schätzung von 16,3 Millionen Dollar und ignorierte die Tatsache, dass es sich um eine Arbeit auf Papier handelte. Ein doppeltes „Green Disaster“ – das Bild eines Autounfalls – brachte 15 Millionen. Christie’s hielt es mit amerikanischen Ikonen: „Statue of Liberty“ wurde wie erwartet das Spitzenlos mit 43,7 Millionen Pfund. Als David Nahmad, Haupt des großen Händler- und Sammler-Clans, 23 Millionen Dollar für „Marlon“ zahlte, wusste man, dass Warhol ein Klassiker ist: Die Nahmads kaufen nur krisensichere Kunstgeschichte.

Es gab erstaunliche, überraschende und vorhersehbare Rekorde – für Hans Hofmann (4,6 Mio. Dollar), den Amerikaner Richard Diebenkorn (13 Mio. Dollar) und für Jeff Koons’ wie Weihnachtskugeln glänzenden Tulpenstrauß der Nord/LB – der zur Freude der Hannoveraner auf 33,6 Millionen Dollar kletterte. Nur Gerhard Richter stützte die Gegenthese – dass ein zu großes Angebot die Preise drückt. Sotheby’s verkaufte ein Riesenformat für 17 Millionen Dollar, Christie’s erzielte für sein Grid-Bild von 1992 eher bescheidene 15 Millionen Dollar aber weitere Spitzenlose gingen zurück, auch die Einlieferung von Supersammler Steven Cohen, „Prag 1983“. Ist der Markt für Richter also doch erst einmal gesättigt?

Der Markt, so das einhellige Urteil, geht in eine neue Phase. Man hört wieder die Warnungen von einer neuen „Blase“ am Kunstmarkt. Kunst, wird man argumentieren, sei so viel Geld nicht wert, die Preise seien zu hoch und unmoralisch, gar irrational. Aber der Blick auf die Auktionen zeigt, dass eine kompakt und gut definierte Gruppe von bluechips von einem immer größeren Pool global interessierter Superreichen gejagt wird – Trophäen des Luxusmarktes. Warum sollte sich da etwas ändern, solange es genügend Reiche mit dem nötigen Taschengeld gibt, die, weil sie Reiche sind, immer reicher werden.

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