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Kultur: „Die Experten sind unser wichtigstes Kapital“

Simon de Pury von „Phillips, de Pury & Luxembourg“ über die Umstrukturierung des Auktionshauses und die Wandlung des Geschmacks

Vor rund einem Monat haben Sie und Daniella Luxembourg von Bernard Arnault, dem Besitzer des LuxusgüterKonzerns LVMH dessen Beteiligung von 27,5 Prozent am Auktionshaus Phillips, de Pury & Luxembourg übernommen. Wie fühlt man sich als neuer Alleineigentümer der Firma?

Danke, hervorragend. Der Schritt ergab sich daraus, dass Daniella und ich schon seit Februar 2002 die Mehrheit am Unternehmen besaßen. Für die strukturellen Änderungen, die wir planen, schien es uns sinnvoll, auch die restlichen Anteile zu übernehmen.

Waren es nicht eher die Umstände als eine Strategie? Immerhin haben Sie gerade Ihr New Yorker Hauptquartier an der 57. Straße geschlossen und 50 von insgesamt 130 Mitarbeitern entlassen.

Wir hatten sogar drei Standorte in New York, an der 57., der 79. und der 15. Straße. Das Gebäude in der 57. Straße liegt zwar sehr repräsentativ, erwies sich aber als wenig praktisch. Ausstellungsräume und Auktionssaal waren zu klein, die einzelnen Departments auf mehrere Etagen zerstreut. In den „Milk Studios“ in Chelsea, unserem neuen Headquarter, sind wir im Zentrum der aktuellen Kunstszene und verfügen über sehr großzügige Räume. Ein Monat uptown kostete uns soviel Miete wie hier ein ganzes Jahr. Die Stellen, die wir kürzen mussten, liegen alle im administrativen Bereich. Sie betreffen London und New York. Jetzt ist das Verhältnis von Verwaltungsangestellten und Experten mit 40 : 40 ausgewogen.

Wie viele Büros gibt es noch?

Es gibt Offices in New York, London, München, Zürich und ab Frühsommer auch in Paris. In Berlin haben wir dann noch eine Mitarbeiterin, aber kein Büro mehr.

Was ist die Kernidee derUmstrukturierung?

Wir konzentrieren uns auf unser internationales Expertennetz. Dieses flexible Network und unsere exklusiven weltweiten Kontakte sind das eigentliche Kapital von Phillips, de Pury & Luxembourg. Unseren Schlüsselexperten bieten wir an, sich an der Firma mit bis zu 20 Prozent zu beteiligen.

Wurde von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht?

Nein. Wir entwickeln gerade die Form für dieses, für uns neue Partnerschaftsmodell.

Wie werden die Experten generell honoriert?

Sie erhalten ein festes Grundgehalt und einen Bonus, der einerseits abhängig ist von der Performance der Firma und andererseits vom Erfolg des einzelnen Mitarbeiters.

Es wird in bestimmten Segmenten immer schwieriger, Topware anzubieten. Das bekamen Sie bei Ihrer Auktion von „Impressionist and Modern Art“ im November in New York bitter zu spüren.

Ja, wir erzielten gerade sieben statt der erwarteten 50 Millionen Dollar, über die Hälfte der Lose ging zurück. Das war enttäuschend. Aber wir behalten unser Team in diesem Bereich trotzdem und konzentrieren uns in Zukunft stärker auf private Verkäufe. Einige wichtige konnten wir bereits tätigen. Der Vorteil ist, dass man viel geringere Kosten hat.

Wann sind private Deals, wann Auktionen eher angemessen?

Das ist von Fall zu Fall verschieden. Manchmal liegt eine Auktion nahe, um den besten Preis zu erzielen, manchmal ist es für den Käufer und das Werk besser, diskret zu handeln. Auktionen haben für uns den Vorteil, dass wir immer wieder neue Kunden kennen lernen. Das merkten Daniella und ich, als wir vor zwei Jahren von Bernard Arnault zu Phillips gerufen wurden. Auf jeden Fall ist es uns wichtig, weiterhin den kompletten Service anzubieten.

Gehören nicht auch Art-Consulting und eine Galerie in Zürich noch dazu?

Genau. Wir beraten Kunden, die sammeln oder eine Sammlung aufbauen wollen, aber auch solche, die ein ganz bestimmtes Gemälde oder Kunstobjekt suchen. Dafür kaufen wir sogar bei unseren Konkurrenten Sotheby’s und Christie’s ein, ebenso bei vielen Händlern und Galeristen. Die Zürcher Galerie „de Pury & Luxembourg“, die auf etablierte zeitgenössische Kunst und Fotografie spezialisiert ist, führt Andrea Caratsch.

Kann dieses Geflecht aus Auktionsgeschäft, private sale, art consulting und Galerie ein Zukunftsmodell sein?

Davon bin ich überzeugt. Wir haben jetzt eine Kostenbasis, die uns diese Konstruktion erlaubt. Das heißt, wir sind nicht auf gewisse Auktionen angewiesen, die die Struktur tragen müssen. Es ist interessant, dass Christie’s und Sotheby’s zurzeit so wenig profitabel arbeiten, obwohl sie den Markt ja dominieren. Das zeigt doch, dass deren Struktur nicht mehr stimmt. Sie können nicht immer nur damit reagieren, dass sie die Kommissionen weiter erhöhen.

Wie ist das bei Ihnen?

Unser „Buyers Premium“ bleibt bei zehn Prozent, während es bei den anderen auf zwölf Prozent gestiegen ist. Es scheint mir nicht richtig, die eigenen Belastungen an den Kunden weiterzugeben.

Verstehen denn die Kunden Ihre innovativen Aktivitäten?

Wir bemühen uns, ihnen die Vorteile unserer mobilen Struktur näher zu bringen. Es gibt erste Erfolge. Zum Beispiel werden wir die hochkarätige Seagram Fotosammlung von Vi vendi Universal am 25. und 26. April in New York versteigern. Das zeigt, dass unser Konzept für Foto-Aktionen ankommt.

Wie sieht es aus?

Wir haben vor allem einen anderen Mix in der Auswahl der Exponate. Und wir machen Kataloge auf wissenschaftlichem Niveau .

Neben Fotografie konzentrieren Sie sich im Auktionsbereich zunehmend auf Design und zeitgenössische Kunst. Warum?

Wir sind hier einfach „cutting edge“ gegenüber den anderen Versteigerern. Das verdanken wir unseren Spezialisten. Außerdem kommen in solche Auktionen sehr gerne auch die jungen Sammler.

Die Kunst seit 1980 ist ein immer bedeutenderes Auktionsgebiet. Warum?

Ganz einfach: Der private Markt braucht den öffentlichen. Nur so kann man Preise rechtfertigen. Für uns wird der Markt der aktuellen Kunst immer zentraler. Ich beobachte auch eine Wandlung des Geschmacks. Im letzten Herbst haben erstmals alle Auktionshäuser höhere Umsätze mit modernen Klassikern und Zeitgenossen erzielt als mit Impressionisten. Je mehr wir ins 21. Jahrhundert gehen, desto stärker wird dieser Trend. Wir befinden uns, glaube ich, gerade in einem ähnlichen Wandel wie Ende der 50er Jahre, als die Auktionen für Impressionisten die für Alte Meister überholten.

Von Februar bis Dezember 2002 war die kanadische Unternehmerin Louise MacBains CEO von Phillips, de Pury & Luxembourg. Hat sie ebenfalls investiert?

Nein. Von den Luftschlössern potenzieller Investoren halten wir im Augenblick nicht mehr allzu viel. Wir wollen jetzt versuchen, mit eigenen Mitteln zu wirtschaften. Sollten wieder ernst zu nehmende Investitionsangebote kommen, freuen wir uns. Aber vorrangig wollen wir unsere Struktur aus eigenen Kräften stabilisieren.

In gewisser Weise entwickelt sich Phillips, de Pury & Luxembourg von dem Modell des klassischen Auktionshauses weg. Fühlen Sie sich dennoch in Konkurrenz?

Wir sind Konkurrenten und Kunden. Das funktioniert wunderbar.

Wie sind Ihre Prognosen für den Markt?

Er wird immer selektiver, das ist evident. Bis jetzt hat sich der Kunstmarkt trotz der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage gut gehalten. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Ich sage immer: Optimistisch oder pessimistisch, am Ende hat man immer Recht. Man muss nur lange genug warten.

Wir haben turbulente Monate hinter uns. Jetzt beginnt unsere eigentliche Arbeit.

Das Gespräch führte Eva Karcher.

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