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Kultur: Die Farbe Rosa

Der Fotograf Erasmus Schröter bringt Bunker zum Leuchten

Die optimalen Lichtverhältnisse für seine Bunker-Fotografien fand Erasmus Schröter in der „Blauen Stunde“. Jene 20 Minuten zwischen Abenddämmerung und Dunkelheit hüllen die Gebäude in eine Stimmung, die den gespenstischen Rahmen ihrer Geschichte vergegenwärtigt. Manche ragen auf wie blaugefrorene Windmühlen, andere leuchten wie marode Spukschlösser im fahlen Dunkel. Der „Bunker WB XLV“ lässt an den Fischer aus Goethes gleichnamiger Ballade denken: „halb zog sie ihn, halb sank er hin“. Der Versuch, den Bunker 1947 zu sprengen, scheiterte. Fast 50 Jahre lang stand der Monolith halb ins Wasser gestürzt, halb ragte er vor der Silhouette Kiels hervor. Kurz vor seiner endgültigen Sprengung im Jahre 1999 fotografierte Schröter das Monument, das sich vergebens weigerte, dem Verschwinden und Vergessen anheim zu fallen.

Der romantische Schein der blauen Stunde trügt und ist zugleich Konzept. Die „Akteure“ entstammen jenem Bollwerk, das die Nationalsozialisten zwischen 1942 und 1944 vom Nordkap bis Biarritz errichteten, um amphibische Großlandungen der Alliierten abzuwehren. Eine Topographie des Atlantikwalls mit seinen rund 15 000 Kriegs-Zeugnissen existiert nicht, und so musste Schröter gründlich recherchieren. Der Zufall spielt auch im Moment der Aufnahme eine Nebenrolle. Pro Abend schafft der Leipziger Fotograf gerade ein Bild. Das Shooting ähnelt dabei einem Film-Set mit Assistenten und ganzen Scheinwerfer-Batterien.

Das Grau des Grauens erscheint in den C-Prints (je 3900 Euro) in strahlendem Blau, leuchtendem Pink oder knalligem Grün. Farben, die so süß sind wie Himbeereis, wandeln die funktionslosen Bastionen in surreale Objekte, die der Fotograf ähnlich arrangiert wie ein Regisseur seine Schauspieler. Mit Anleihen an konstruktivistische Gemälde ist der „Bunker WB LI“ inszeniert: Vor einer tiefen Horizontlinie zieht ein blaues Farbfeld eine Rampe nach, die von einer roten Vertikale gegen goldgelbe geometrische Formen abgesetzt wird. Trotz der malerischen Komponente verweigern sich Schröters Fotografien einer Verklärung oder gar Verherrlichung des Krieges. Die perfekt arrangierten Kompositionen übersteigen den Kriegsalltag in solchem Maße, dass es Militär-Fans die Freude vergällen würde.

Schröter studierte von 1977 bis 1982 Dokumentarfotografie an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst und arbeitete von 1985 bis 1997 in Hamburg als Presse- und Werbefotograf. Die verschiedenen Ansätze vereint er höchst subtil zwischen konzeptueller Sinnlichkeit und dokumentarischer Strenge. Heraus kommt das Werk eines wortwörtlichen Lichtbildners, verführerisch schön und von hintersinniger Schärfe. Während der französische Philosoph Paul Virilio in seiner „Bunker-Archäologie“ das architektonische Phänomen zwischen Schrecken und Ästhetik reflektiert, der Kölner Fotograf Boris Becker formale und skulpturale Aspekte von Luftschutzbunkern auslotet, erforscht Erasmus Schröter durch den geschickten Einsatz von Licht und Farbe die Modulations- und Erinnerungsfähigkeit der Motive.

Der Zustand zwischen Tag und Nacht intensiviert die Leuchtkraft der Farben und versetzt die Bilder in eine unwirtliche Atmosphäre von Realität und Fiktion, die den Schein des allzu Schönen bricht. Gleichsam schaffen die schlicht nummerierten Titel eine Distanz, die den Blick der „Dritten Generation“ auf die Geschichte fokussiert. Ob mit Bunkern, den Serien über Komparsen oder Schrebergärten – subversiv betreibt Schröter: „Werbung für Dinge, die man nicht vermarkten kann.“ Michaela Nolte

DNA – Die Neue Aktionsgalerie, Auguststraße 20, bis 25. August; Dienstag bis Sonnabend 14-19 Uhr.

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