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Kultur: Die flitzende Limousine: Abbado dirigiert Britten, Schumann und Beethoven

Der Anfang von Benjamin Brittens "Serenade für Tenor, Horn und Streicher" ist verteufelt schwer zu singen, ebenso wie die hoch liegende Ostinato-Figur in der Totenklage dieses Abendgesangs. Was Britten einst für seinen Lebensgefährten Peter Pears geschrieben hat, dem diese unbequemen Töne angenehm auf der Stimme lagen, treibt fast allen Tenören Angstschweiß auf die Stirn.

Der Anfang von Benjamin Brittens "Serenade für Tenor, Horn und Streicher" ist verteufelt schwer zu singen, ebenso wie die hoch liegende Ostinato-Figur in der Totenklage dieses Abendgesangs. Was Britten einst für seinen Lebensgefährten Peter Pears geschrieben hat, dem diese unbequemen Töne angenehm auf der Stimme lagen, treibt fast allen Tenören Angstschweiß auf die Stirn. Auch Philip Langridge huscht über die Eingangsphrase hinweg, gestaltet die verdunkelte "Pastorale" blass. Doch dann setzt er sich gegen die Streicher durch, die mit ihrer opulenten Besetzung das intime Gleichgewicht des Werks gefährden. Der Orchesterklang ist luxuriös, von Claudio Abbado perfekt strukturiert, aber zu groß für den kammermusikalischen Tonfall des Werks. Dieser große Ton kommt Langridge auch entgegen; er hat sich zur "Totenklage" auf einen opernhaften Gestus eingestellt, ringt hohen Passagen zusammen mit dem Hornisten Stefan Dohr beklemmende Dichte ab.

Nach der Absage von Martha Argerich ist kurzfristig Maurizio Pollini mit dem Schumann-Klavierkonzert eingesprungen. Sein Mut ist zu loben, das Ergebnis nicht. Fröhlich modulierend mäanderte das Werk durch die Landschaft; Abbado schlägt starr den Takt, Pollini donnert die Musik planlos zusammen, wo feinziselierte Kleinarbeit nötig wäre, bringt das hochemotionale Konzert in gefährliche Nähe zum belanglosen Passagenwerk der Chopin-Klavierkonzerte. Aber dazu fehlt ihm die schwerelose Brillanz. Am Ende scheinen alle froh, dass sie es hinter sich haben. Wie befreit wirkt Abbado hingegen nach der Pause, als er mit seinen Philharmonikern und Beethovens Fünfter alleine ist. Mit dem vertrauten Klang der schweren Limousine, doch wendig wie ein Sportflitzer türmt das Orchester die Kräfte in den Ecksätzen. Die phänomenalen Holzbläser im sanften Zusammenspiel, die Attacken des Blechs drängen in kalkulierten Entladungen nach vorne. Was dem Schumann-Konzert so schmerzlich fehlte, hier findet es statt: Die vorausschauende Durchdringung der Phrasen, die Entwicklung musikalischer Gesten aus dem Geist des traumwandlerisch sicheren Zusammenspiels.

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